Grubenarbeiterverbandes“, dessen Statuten aber von der Behörde abgelehnt wur¬
den28. An diesem Widerstand scheiterten auch mehrere Versuche des Dortmunder So¬
zialdemokraten Ludwig Schröder (1848 — 1914), des späteren Vorsitzenden des ,,Alten
Verbandes“29, auf der organisatorischen Grundlage der nichtkonfessionellen Knappen¬
vereine einen ,,Zentralverb and der Ruhrbergleute“ zu bilden30. Eine von dem katholi¬
schen Bergarbeiter Anton Rosenkranz 1878 ins Leben gerufene Gewerkschaftsorgani¬
sation auf der Basis politischer und religiöser Neutralität zerfiel vorrangig wegen des
Widerstandes der Christlich-Sozialen31. Trotz dieser organisatorischen Rückschläge
sammelten die Ruhrbergleute in den Streiks dieser Phase32 eine Fülle von Erfahrungen
in der Durchsetzung kollektiver Interessen, ,,eine seit 1868/69 angebahnte Kontinuität
der Bergarbeiterführer£<33 setzte sich bis 1889 fort. Gleichzeitig aber begannen die poli¬
tischen und konfessionellen Gegensätze den gewerkschaftlichen Ansatz zu überlagern
und ,,nahmen in ihrer gegenseitig kompensierenden Wirkung jene gründliche Schwäche
der Ruhrbergarbeiterbewegung bis mindestens 1918 vorweg“34.
In Oberschlesien hingegen wurde der konfessionelle Gegensatz noch durch den
deutsch-polnischen Widerspruch verstärkt, der jedem gesellschaftlichen Konflikt den
nationalen Stempel aufdrückte und gewerkschaftliche Impulse verschüttete. Ein
Streik in Königshütte gegen die Einführung der Markenkontrolle im Juni 1871 kulmi¬
nierte in straßenkampfartigen Aktionen, die den kriegsmäßigen Einsatz eines Ulanen¬
kontingents provozierten; 7 Tote und zahlreiche Zuchthausstrafen waren das Resul¬
tat35. In Niederschlesien wiederum endete ein vom ,,Hirsch-Duncker’sehen Gewerk¬
verein der Bergarbeiter“ geführter zweimonatiger Ausstand um die Jahreswende 1869/
70 mit der Zerschlagung der Organisation36; die gerade erstandene liberale Arbeiterbe¬
wegung war damit nicht nur im Waldenburger Revier diskreditiert.
3.5 Die Anfänge der Sozialdemokratie im Saarrevier
Während die benachbarte bayrische Pfalz seit 1869 durch besoldete lassalleanische
Wanderredner bereist wurde und sich dort ab November 1871 Ortsvereine des ADAV
in Oggersheim, Ludwigshafen, Mutterstadt, Frankenthal, Speyer und Lambrecht bil¬
deten1, waren im Saarrevier noch keine Anzeichen sozialistischer Agitation festzustel-
28 Vgl. Imbusch, S. 245 f. Hue: Bergarbeiter, Bd. 2, S. 312 f.
29 Vgl. (Limbertz), S. 122 f.
30 Vgl. Te n f e 1 d e : Sozialgeschichte, S. 489.
31 Vgl. Imbusch, S. 252 —258. Hue: Bergarbeiter, Bd. 2, S. 319 — 330. Naujoks, S.
116-129. Hemmer: Bergarbeiterbewegung, S. 94 — 98. Tenfeide: Sozialgeschichte, S.
514-522. Hartmann, S. 138 — 144. Statut in Glückauf/Zwickau vom 19. 10. 1889 (Nr.
42).
32 Vgl. die Auflistung der Ruhrstreiks 1838 — 1887 bei Tenfeide: Sozialgeschichte, S,
629-633.
33 Ebd., S. 484.
34 Tenfeide: Konflikt, S. 234.
35 Vgl. Hue: Bergarbeiter, Bd. 2, S. 299 — 304. S c h o f e r : Formation, S. 146. S t e g 1 i c h , S.
258. Naujoks, S. 41—52.
36 Vgl. Imbusch, S. 212—219. Hue: Bergarbeiter, Bd. 2, S. 288 — 298. Plötz, S.
100 — 113. Engelhardt, S. 1071 —1179. Ders. : Zur Verhaltensanalyse eines sozialen
Konflikts, dargestellt am Waldenburger Streik von 1869, in: Otto Neuloh (Hrsg.): Soziale In¬
novation und sozialer Konflikt (= Studien zum Wandel von Gesellschaft und Bildung im 19.
Jahrhundert, Bd. 15), Göttingen 1977, S. 69-94.
1 Vgl. E. Schneider, S. 28 — 32, 37 — 40. Die erste pfälzische Parteigruppe der Eisenacher
entstand erst im März 1873 in Kaiserslautern, vgl. ebd., S. 40 — 43. Herzog, S. 42 ff. Zu den
Anfängen in Baden vgl. S ch ad t, S. 33 — 49.
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