sah sich jetzt zu einem Rückzieher veranlaßt: War zuvor noch von ,,mit großem Unge¬
stüm geltend gemachten Forderungen von Lohnerhöhungen, verbunden mit der Dro¬
hung mit Arbeitseinstellung“ die Rede gewesen, so hieß es nun lapidar: „ Auf den fiska¬
lischen Gruben beschränkte sich das Zutagetreten der Bewegung lediglich auf die in
Diensten von Unternehmern stehenden Pferdeknechte ... im übrigen blieben die fiska¬
lischen Gruben von der unter den industriellen Arbeitern des Bezirks umgehenden Be¬
wegung — wenigstens äußerlich — völlig unberührt“. Und die eben noch allein schul¬
digen Sozialdemokraten waren nun unauffindbar:,,Direkte socialistische Agitationen , . .
sind im laufenden Jahre nicht wahrzunehmen gewesen“1',
Auf der Privatgrube Hostenbach hingegen kam es im Mai 1873 zu einem kurzen Aus¬
stand: Als Ausgleich für eine Arbeitszeitverkürzung von 10 auf 9 Stunden war den
Hauern eine Gedingeaufbesserung zugesagt worden. Daraufhin zogen die bisher im
Schichtlohn bezahlten Schlepper am 24. Mai geschlossen vor das Direktionsgebäude
und forderten ebenfalls eine Erhöhung. Statt dessen legte Direktor von der Kall fünf
Wortführer für 14 Tage ab. Nun traten die Schlepper in den Streik; am 26. Mai folgten
ihnen die Hauer, ,,weil sie ohne Schlepper nicht arbeiten könnten“. In den folgenden bei¬
den Tagen streikte die gesamte Hostenbacher Belegschaft. Erst am 29. Mai fuhren die
Bergleute ,,nach Zugeständnissen“ wieder anis.
Ein Jahr später streikten auch die Bergleute der benachbarten Lothringer Grube Klein-
rosseln. Sie forderten eine Veränderung der Knappschaft nach deutschem Gesetz,
achtstündige Schicht sowie Strafreglements, die Willkür ausschließen17 19. Uber den am
10. August begonnenen Ausstand20 ist nichts bekannt. Sicher ist nur soviel, daß im
Herbst 1874 neun Kleinrosselner Bergleute vom Straßburger Kriegsgericht wegen
Landfriedensbruchs zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt wurden; vier von ihnen erhiel¬
ten 10 Monate Gefängnis21.
Auf der gleichfalls der Familie de Wendel gehörenden Kokerei Hirschbach war es im
Sommer 1872 ebenfalls zu einer partiellen Arbeitseinstellung gekommen: Am 14. Au¬
gust streikten die Arbeiter für einen Monatslohn von einem Taler, nachdem im letzten
Monat nur 27 Silbergroschen verdient worden waren. Am folgenden Tag bewilligte die
Direktion die fehlenden 3 Silbergroschen, doch eine Streikversammlung verwarf das
Angebot. Die Kokereiarbeiter forderten jetzt 1 Taler und 5 Silbergroschen, Bezahlung
der Streiktage und Regelung der Krankenkassenverhältnisse. Am 22. August brach der
Streik ergebnislos zusammen22. Parallel zur Hostenbacher Arbeitsniederlegung traten
auch die Glasschleifer von Wadgassen am 26. Mai 1873 in den Ausstand. Nachdem ih¬
nen eine ,,Prüfung der Lohnverhältnisse“ versprochen worden war, kehrten sie wieder
zur Arbeit zurück23.
17 Achenbach/BWD an HM vom 12. 8. 1873, ebd., 49 f., Zitate S. 49.
18 Mencke/BI I an BWD vom 27. und 30. 5. 1873, LASB 564/713, 35 — 41,42. Direktor von der
Kall/Hostenbach an BWD vom 31. 5. 1873, ebd., 43. BM Jung/Bous an LR vom 30. 5. und
2. 6. 1873, LHAK 442/4390, 13 f., 15. In der Literatur wird der Hostenbacher Streik lediglich
bei E. Klein: Saarbergbau, S. 14, erwähnt.
19 Aktennotiz Haßlacher/BWD vom 29. 7. 1874, LASB 564/715, 51.
20 Direktor Laigneaux/Kleinrosseln an BWD vom 10. 8. 1874, ebd., 52.
21 Rönne/BI VII an BWD vom 25. 11. 1874, ebd., 53 — 56. Rönne fungierte bei dem Prozeß als
Zeuge und Sachverständiger. Vgl. Denise Will: Das Koalitionsrecht der Arbeiter in Elsaß-
Lothringen im Vergleich zu dem in Frankreich und im Deutschen Reich geltenden Rechte,
Diss. München 1899. Anton Greger: Die Montanindustrie Elsaß-Lothringens seit Beginn
der deutschen Verwaltung, Diss. München 1909.
22 SJZ vom 16. 8. 1872 (Nr. 190). Aktennotiz BWD vom 15. 8. 1872, LASB 564/715, 13.
23 BM Jung/Bous an LR vom 2. 6. 1873, LHAK 442/4390, 15. Mencke/BI I an BWD vom 27.
5. 1873, LASB 564/715, 40.
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