Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

Saarbrücken, 1903 waren es 735lj9. An Kampfmaßnahmen war unter diesen Bedingun¬ 
gen kaum zu denken. Die 1897 streikenden Setzer der ,,Neunkircher Volkszeitung“ 
wurden einfach entlassen und durch auswärtige Arbeiter ersetzt109 110. Unter den Maurern 
kam es zwei Jahre später zu einer Protestbewegung für den 12-Stunden-Tag, man ris¬ 
kierte jedoch keinen Arbeitskampf111. Im August 1900 beschlossen die Bäckergesellen 
zw7ar mit großer Mehrheit den Ausstand, aber der Vertreter des Verbandsvorstandes 
legte sein Veto ein112 114. 1902 bildete sich in Friedrichsthal eine Zahlstelle des ,, Verbandes 
der Glasarbeiter und -arbeiterinnen“113, doch der Organisationserfolg blieb hier eben¬ 
so wie beim zwei Jahre später eingeführten ,,Deutschen Metallarbeiterverband“114 mi¬ 
nimal. Der Ausstand von 246 Walzern und Schwenglern der Völklinger Hütte im März 
1901 endete mit der Entlassung von 15 Streikführern; die Arbeit mußte zu reduzierten 
Löhnen wieder aufgenommen werden115. Auch der vom ,,Christlichen Metallarbeiter- 
verband“ geführte Streik auf der Burbacher Hütte im Juni 1906 endete mit einer Nie¬ 
derlage116. Erst das Hilfsdienstgesetz vom 5. Dezember 1916 beendete die völlige 
Rechtlosigkeit der Gewerkschaften an der Saar117. 
Der Zusammenbruch der gewerkschaftlichen Bergarbeiterbewegung und die politische 
Apathie der Bergleute waren jedoch nicht nur durch Repressivmaßnahmen, Verdrän¬ 
gung und die starke konfessionelle Bindung bedingt, sie entsprangen auch älteren 
Mentalitäten, die in den 90er Jahren neu verfestigt wurden. Jene Züge traten in den 
Vordergrund, die tiefer in den sozialen Strukturen wurzelten als die Aktions- und Or¬ 
ganisationsformen der Streikperiode. Der Bau neuer Bahnlinien weitete den agrari¬ 
schen Bezugsrahmen erneut aus118, der Anteil der Fernpendler sank zugunsten der 
Nahpendler. Von der Belegschaft der preußischen Staatsgruben kehrten heim119: 
Jahr 
Täglich 
Nicht täglich 
Gesamt¬ 
belegschaft 
1895 
22 720 = 73% 
8 354 
31 074 
1900 
31 036 = 77% 
10 370 
41 406 
1905 
35 562 — 76% 
10 927 
46 489 
109 Hirschfeld, S. 279 Anhang. 
110 LR/OTW an RP vom 13. 3. 1897, LHAK 442/4307, 439. 
111 Dto. vom 11. 4., 13. 4., 15. 4. und 17. 4. 1899, LHAK 442/4157, 77 f., 79-81, 83 -86, 
107-110. LR Bake/SB an RP vom 23. 5. 1899, ebd., 141 - 144. 
112 LR/OTW an RP vom 2. 9. 1900, ebd., 433 f. LR Fidler/SB an RP vom 28. 8. 1900, ebd., 
439-443. 
113 LR Fidler/SB an RP vom 27. 8. 1901, ebd., 623 — 627. 
114 Gabel, S. 155 — 162. Vgl. Elisabeth Domansky-Davidsohn : Der Großbetrieb als 
Organisationsproblem des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes vor dem Ersten Weltkrieg, 
in: Hans Mommsen (Hrsg.): Arbeiterbewegung und industrieller Wandel. Studien zu ge¬ 
werkschaftlichen Organisationsproblemen im Reich und an der Ruhr, Wuppertal 1980, S. 
95-116. 
115 BM/VK an LR vom 23. 3. 1901, KrASB S/ll. 
116 KrASB S/12. Vgl. Gabel, S. 137—143. Gerhard Bungert /Klaus-Michael Mal 1 mann : 
Burbach 1906: Der erste Hüttenstreik an der Saar, in: Arbeitnehmer 25 (1977), S. 337 — 340. 
117 Vgl. Gehard B u n gert/Klaus-Michael M a 11 m an n : Alle Macht den Räten? Die saarländi¬ 
sche Arbeiterbewegung im Ersten Weltkrieg, in: Arbeitnehmer 26 (1978), S. 443-446. 
118 Vgl. Herbig: Arbeiterersatz, S. 1384. 
119 Ebd., S. 1383. 
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