Wirt dadurch dem Streite ein Ende machte, daß er Schillo aus dem Lokale verwies mit
der Begründung, einen Sozialdemokraten dulde er in seinem Saale nicht“1. Mag dieser
Vorgang im ,, Bergmanns freund“ auch etwas drastisch dargestellt sein, die Stimmung
unter den Bergarbeitern ist hier wohl exakt wiedergegeben. Zwar waren zu diesem
Zeitpunkt noch lange nicht alle Mitglieder aus dem RSV ausgetreten, effektiv aber be¬
stand die Organisation nur noch aus zwei Dutzend Mann.
Anfang Juni 1893 hatte Warken den Aufruf „An die Kameraden !“ veröffentlicht. ,,Wir
appelliren an euch, mit dem Vertrauen, daß nur die Furcht euch eingeschüchtert hat“,
hieß es da. „Bezahlt ihr die Beiträge nicht, so wird euer Saal mit der Presse dem Unter¬
nehmerthum in die Hände fallen, und unsere Kinder und Enkel müssen uns verfluchen,
wenn sie später an dem von uns aufgebauten Saale der Bergleute die Inschrift lesen: ,Ei¬
ner für Alle, Alle für Einen, 1889‘. Willst du nun den Untergang ? Entweder thue deine
Pflicht oder die Gegner feiern den Triumph für alle Zeiten“1 2. Der Appell fruchtete
nichts. Am 1. Juli erschien die 9. und letzte Ausgabe von ,,Glückauf“, die Druckerei
,,Schlägel und Eisen“ wurde am selben Tage eingestellt3. Tags zuvor war bereits War¬
ken als Vorstandsmitglied zurückgetreten4 5. Zur Generalversammlung am 13. Juli 1893'^
erschienen lediglich 20 Mitglieder, durchweg für immer abgelegte Funktionäre des
RSV. Man behandelte nur einen Tagesordnungspunkt: ,,Soll die Organisation fortge¬
führt oder liquidiert werden?“ Angesichts des geringen Interesses fiel der Entschluß
leicht: Man beschloß, daß der RSV seine statutenmäßige Tätigkeit hiermit einstelle6.
Der § 12 des Statuts, wonach Warken bei einer Vereinsauflösung 3000 M. zustehen
sollten, wurde gestrichen. Die Schulden des Vereins bezifferte man auf 18 — 19000 M.7.
Auf die Abwicklung dieser Verbindlichkeiten sollte sich die weitere Vereinstätigkeit
beschränken. Zu diesem Zweck wählte man ein aus Schillo, Fox, Krön, Bachmann und
Kuhn bestehendes Komitee und beschloß als erstes den Verkauf der Druckereieinrich¬
tung8. Damit begann die interne Liquidationsphase des RSV und gleichzeitig der indi¬
viduelle Wettlauf um die Rückzahlung der dem Verein geliehenen Gelder.
Als wichtigster Vermögenswert stand der Rechtsschutzsaal naturgemäß im Mittel¬
punkt. Im Grundbuch war das Gebäude auf den Namen des früheren Schriftführers
Berwanger eingetragen. Gleichzeitig erhob auch der Rest-RSV Besitzansprüche und
1 Bgmfr. vom 27. 6. 1893 (Nr. 51).
2 Gedruckt als Plakat, SAFR, Best. RSV, 583. Zur Datierung des Aufrufs auf Anfang Juni 1893
vgl. Bgmfr. vom 16. 6. 1893 (Nr. 48).
3 Schriftführer Anschütz an BM/Friedrichsthal vom 1. 7. 1893, SAFR, Best. RSV, 580. Kie¬
fer: Organisationsbestrebungen, S. 66.
4 Warken an BM/Friedrichsthal vom 30. 6. 1893, SAFR, Best. RSV, 578. Schriftführer An¬
schütz an BM/Friedrichsthal vom 1. 7. 1893, ebd., 579.
5 BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 14. 7. 1893, Konzept ebd., 588, Abschrift LHAK 442/
4408. Schriftführer Anschütz an BM/Friedrichsthal vom 14. 7. 1893, SAFR, Best. RSV, 589,
Abschrift LHAK 442/4408. Völklinger Zeitung vom 15. 7. 1893 (Nr. 163).
6 Kiefer: Organisationsbestrebungen, S. 66, schreibt dagegen undifferenziert, daß man be¬
schloß, ,,den Verein aufrecht zu erhalten“, während E. M ü 11 e r, S. 66, gar von einem Auflö¬
sungsbeschluß spricht.
7 Der Bgmfr. vom 22. 8. 1893 (Nr. 67) enthält eine detaillierte Schuldenliste. Demnach bestan¬
den Forderungen von Wagner, Weyand, Heyder, Eisenacher sowie von Maschinenfabrikan¬
ten, Maurern, Schreinern und Dachdeckern in Höhe von 14 751 M.
8 Die Druckereieinrichtung wurde am 8. 2. 1894 von Krön ersteigert. Aktennotiz BM Förster/
Friedrichsthal vom 9. 2. 1894, SAFR, Best. RSV, 613, Der stellvertretende Regierungspräsi¬
dent von Rosenberg-Gruszynski/Trier meldete dem Oberpräsidenten am 7. 9. 1893: ,,Der
Rechtsschutzverein macht nur noch wegen seiner Schulden von sich reden“, LHAK 403/6838,
381.
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