gen der Sozialdemokraten Unordnung in den Rechtsschutzverein gekommen sei“u.
Kiefers Behauptung, daß der RSV ,,eigene Kandidaten für die sozialdemokratische
Partei aufstellte“11 12 13, erweist sich angesichts dieser Fakten als absurd.
Im Gegensatz zu 1890 griff die Bergwerksdirektion diesmal direkt in den Wahlkampf
ein. Der ,,Bergmannsfreund“ erklärte es zur ,,ernste(n) Pflicht eines jeden patriotisch
gesinnten Bergmannes, in dem bevorstehenden Wahlkampf mit allen Kräften für dieje¬
nigen Männer einzutreten, welche auf dem Boden der Militärvorlage stehen“ und emp¬
fahl die Stimmabgabe für den nationalliberalen Justizrat Boltz im Wahlkreis Saarbrük-
ken und für den Freikonservativen Stumm im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Mei¬
senheim L\ Neben der Mobilisierung des „Spichern-Erlebnisses“ machte sich das Blatt
sogar den Ausgang des gerade vergangenen Streiks zunutze: ,,Es ist da das Wort gefal¬
len: Wenn die Bergleute für die Militärvorlage stimmen, dann werden die Abgelegten
wieder angelegt. Das Wort ist sehr richtig“. Und nachdem man sich dahingehend abge¬
sichert hat, daß dies natürlich nicht als Automatismus zu verstehen sei, heißt es weiter:
,,Nein, das Wort ist richtig in dem Sinne, daß jeder, der für die Militärvorlage eintritt,
an seinem Teil dafür sorgt, daß die Verwaltung in den Stand gesetzt wird, die Abgeleg¬
ten wieder anlegen zu können“14. Auch Hilger persönlich engagierte sich im Wahl¬
kampf. Von Anfang an fungierte er als Schriftführer für die Wahlagitation von Boltz15 16,
auf seine Anregung hin bildete sich am 3. Juni ein Wahlverein der ,,Mittelparteien“lb.
Und Hilger scheute auch nicht vor persönlichen Angriffen auf den Zentrumskandida¬
ten im Wahlkreis Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim, den Grafen von der Schulenburg,
zurück; im ,,Bergmannsfreund“ trat er die ,,gerichtliche Bestrafung des Herrn Grafen
wegen roher Tierquälerei“ breit17 19. Als Hilger daraufhin von Schulenburg wegen Belei¬
digung verklagt wurde, zog ihn die Bergwerksdirektion aus der politischen Schußlinie.
An Hilgers Stelle redigierte Theodor Vogel seit 23 . Juni 1893 den ,,Bergmannsfreund“n.
Auch die evangelischen Arbeitervereine traten rückhaltlos für Boltz und Stumm ein14,
das ,,Evangelische Wochenblatt“ befürwortete sogar eine Wahlrechtsänderung: ,,Wir
meinen, daß es nötig und gut wäre, das die Wahlfähigkeit bedingende Alter von 23 Jah¬
ren auf 30 Jahre hinaufzurücken, eine Änderung, durch welche die Sozialdemokratie
eine verdiente Einbuße an Stimmen erleiden würde“20.
Im Wahlkreis Saarbrücken siegte Boltz mit 16397 Stimmen vor dem Zentrumskandida¬
ten Dr. Görtz mit 5 826 Stimmen. Für Emmel hatten sich lediglich 1 477 Wähler ent¬
schieden, 5346 weniger als für Warken bei der Wahl zuvor21. An der Spitze lag dabei
11 LR Bake/SB an RP vom 25. 5. 1893, LHAK 442/4408. RP Heppe/Trier an OP vom 2. 6.
1893, LHAK 403/6838, 57-68, Zitat S. 62 f. Bgmfr. vom 16. 5. 1893 (Nr. 39). In der Litera¬
tur lediglich bei Beilot, S. 189, erwähnt.
12 Kiefer: Organisationsbestrebungen, S. 66.
13 Bgmfr. vom 26. 5. 1893 (Nr. 42). Vgl. Bgmfr. vom 2. 6. (Nr. 44) und 9. 6. 1893 (Nr. 46).
14 Bgmfr. vom 30. 5. 1893 (Nr. 43).
15 LR Bake/SB an RP vom 26. 5. 1893, LHAK 442/6656.
16 Bgmfr. vom 6. 6. 1893 (Nr. 45).
17 Bgmfr. vom 13. 6. 1893 (Nr. 47).
18 Bruch: Geschichte des „Bergmannsfreund“, S. 76.
19 EW vom 4. 6. 1893 (Nr. 23).
20 EW vom 18. 6. 1893 (Nr. 25).
21 Zusammenstellung der Wahlergebnisse in den Kreisen Saarbrücken, Ottweiler, St. Wendel
und Saarlouis, LHAK 442/6656. Aufschlüsselung für den Kreis Saarbrücken, LHAK 442/
4408 und SZ vom 16. 6. 1893 (Nr. 139) sowie Saarbrücker Kreisblatt vom 19. 6. 1893 (Nr. 25),
für die Kreise Saarbrücken und Ottweiler-St. Wendel-Meisenheim Bgmfr. vom 20. 6. 1893
(Nr. 49).
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