te und ihrer Familien zu achten. „Der Geist von Obrigkeit und Disziplin, von ständi¬
scher Abstufung und Abgeschlossenheit, von Ehre und Standespflege fand hier seinen
aktuellen und konkreten Bezugspunkt und verband sich mit der Vorsorgefunktion der
Knappschaft in Fällen unverschuldeter Not sinnfällig zu einer Existenz- und Wertge-
meinschaft“5^, die ihre wichtigsten Ausdrucksformen in den bergmännischen Musik¬
korps55 56 und den jährlichen Bergfesten’’7 58 fand. Hier verbanden sich berufliche Identifi¬
kationshilfe,arbeitsbedingte Verdrängungs- und Ausgleichsbedürfnisse und Einübung
in die ständische Hierarchie. Daß der ,,Bergmannsfreund“ seit 1870 als erste Werks¬
zeitschrift der Welt in Saarbrücken erschien38, war angesichts dieses Hintergrundes
kein Zufall, sondern publizistischer Ausdruck zielbewußter Korpsbildung.
Zu den Existenzgarantien, die eine — wenn auch bescheidene — Lebensführung erlaub¬
ten und die Bergleute von der Masse der pauperisierten kleinbäuerlichen Bevölkerung
abhoben59, traten freiwillige sozialpolitische Aktivitäten des Bergfiskus: Die seit 1862
bestehenden Vorschußvereine60 sollten zum Sparen anregen und Kredite für Notfälle
bereitstellen, Konsumvereine61 für eine billigere Beschaffung von Grundnahrungsmit¬
teln sorgen. Unter dem ökonomischen Zwang der Rekrutierung einer Stammbeleg¬
schaft bei standortgebundener Produktion und defizientem Wohnungsmarkt62 entwik-
kelte Bergrat Leopold Sello (1785— 1874)63 in einer Denkschrift vom 26. November
1841 das Projekt eines fiskalisch geförderten Hausbaues. Seine Vorschläge sahen vor,
bauwilligen Bergleuten ein Darlehen sowie eine Prämie zu bewilligen, die zusammen
55 Tenfelde: Bergarbeiterkultur, S. 25. Vgl. ders. : Sozialgescbichte, S. 90 — 98.
56 Vgl. R. Hahn, S. 13. Korb, Anhang IV, S. 191.
57 Die Akten ,,Bergmännische Aufzüge und Ergötzlicbkeiten“ im LASB 564/1871 — 1874 behan¬
deln lediglich die Jahre 1892 — 1934. Vgl. die ausführliche Schilderung des Dudweiler Bergfests
im Bgmfr. vom 31. 8. 1877 (Nr. 35). E. Müller, S. 141 - 143. O. H. Werner, S. 70-77.
Hildegard Hoffmann: Bergmännische Feste an der Saar, in: Bergfreiheit 28 (1963), S.
227 - 232. Hugo-Hermann Pilger: Das alte Bergfest, in: Schacht und Heim 11 (1965), H. 8,
S. 16—18. Klaus Tenfelde: Mining Festivals in the Nineteenth Century, in: Journal of
Contemporary History 13 (1978), S. 377 — 412. Ders . : Das Fest der Bergleute. Studien zur
Geselligkeit der Arbeiterschaft während der Industrialisierung am Beispiel des deutschen
Bergbaus, in: Gerhard A. Ritter (Hrsg.): Arbeiterkultur (= NWB 104), Königstein 1979,
S. 209-245, besonders S. 217 f.
58 Vgl. Bruch : Geschichte des ,,Bergmannsfreund“, S. 68 - 70. Selbst die Benennung der ein¬
zelnen Gruben spiegelt diese Absicht wider, vgl. Klaus-Michael M a 11 m a n n : Grubennamen
an der Saar und an der Ruhr. Eine vergleichende Betrachtung über ihre Herkunft, in: GL
153/1975.
59 Vgl. Carl J a n t k e / Dietrich Hilger: Die Eigentumslosen. Der deutsche Pauperismus und
die Emanzipationskrise in Darstellungen und Deutungen der zeitgenössischen Literatur, Frei¬
burg 1965. Werner Conze: Vom „Pöbel“ zum „Proletariat“. Sozialgeschichtliche Voraus¬
setzungen für den Sozialismus in Deutschland, in: VSWG 41 (1954), S. 333 —364.
60 Vgl. Bgmfr. vom 2. 3. 1877 (Nr. 9). Beck, Bd. 3, S. 198-200. E. Müller, S. 138-140.
Ernst Klein : Die Bergmännische Sparkasse an der Saar (1835 — 1867), in: Bankhistorisches
Archiv 2 (1976), S. 1 — 13.
61 Vgl. Beck, Bd. 3, S. 213 — 215. E. Müller, S. 135 — 137. Ernst Klein: Die Gründung
bergmännischer Konsumvereine an der Saar (1867 — 1869), in: Der Anschnitt 30 (1978), S,
20-31.
62 Vgl. E. Müller, S. 34. Gronerad, S. 13.
63 Vgl. Faus, 1. Teil, s. 77 f. Helmut Lißmann: Leopold Sello, Vater des Bergmannswoh¬
nungsbaus, in: Schacht und Heim 6 (1960), H. 12, S. 25-27.
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