Wirkung ist hier verfehlt“6 7. Um den Bergleuten etwaige politische Skrupel zu nehmen,
versicherte das Blatt, daß jede Nummer vor ihrem Erscheinen sowohl dem Berliner Po¬
lizeipräsidium als auch der Polizeibehörde von St. Johann-Saarbrücken zur Prüfung
vorgelegt werde .
Für die Bergarbeiterführer an der Ruhr und in Sachsen waren derartige Positionen mit
Sicherheit politisch verdächtig, vor allem aber sahen sie in Schneidts Blatt eine Konkur¬
renz zum Zwickauer ,,Glückauf“. In einer Erklärung vom 24. September 1889 be-
zeichneten Bunte, Schröder und Siegel die „Deutsche Allgemeine Bergarbeiter-Zeitung“
als ,,reines Privatunternehmen“, das „für die Vereinigungsbestrehungen der deutschen
Berg- und Hüttenarbeiter keineswegs förderlich“ sei8.
Gegenüber dem Saarbrücker Landrat betonte Schneidt zwar, daß er „seine Sturm- und
Drangperiode hinter sich“ habe und er nun einen ,,vernünftigen Realismus“ vertrete,
„der nach der Erreichung des Möglichen strebt„Ich will vor allen Dingen erreichen,
daß diese Bewegung freibleibe von allen politischen Einflüssen — oder daß sie, soweit
hier und da solche Einflüsse sich sollten geltend machen, davon befreit werde“. Er pla¬
ne darum eine Versammlungskampagne, um gegen Sozialdemokratie und Zentrum
Stellung zu beziehen und auf den gesetzlichen Weg zu pochen9. Trotz seines politi¬
schen Reuebekenntnisses glaubte man ihm nicht. Schneidt sei von der Sozialdemokra¬
tie nicht weit entfernt, meinte Regierungspräsident von Pommer-Esche, da auch er
wirksamere Arbeiterschutzgesetzgebung fordere und damit den Beschluß des Pariser
Sozialistenkongresses vertrete10. Die erste Nummer der Zeitung wurde nachträglich
beschlagnahmt, Schneidt Ende September wegen Beleidigung der Bergwerksdirektion
verhaftet und wegen Fluchtverdachts fast zwei Monate in Untersuchungshaft gehal¬
ten11. Während dieser Zeit ging die ,,Deutsche Allgemeine Bergarbeiter-Zeitung“
ein12, auch das Nachfolgeorgan „Der Bergbote“ erlebte nur wenige Ausgaben13.
Die Führung des RSV nahm ebenfalls an Schneidts Vergangenheit Anstoß: Bachmanns
Kolporteurstätigkeit für die „Deutsche Allgemeine Bergarbeiter-Zeitung“ gab den An¬
laß für den erwähnten Unvereinbarkeitsbeschluß mit der Sozialdemokratie14. Vor al¬
lem auf Betreiben Warkens und Thomes beschloß der Vorstand am 4. September 1889,
den Mitgliedern statt dessen das zentrumsnahe „Glückauf* als Vereinsorgan zu emp¬
fehlen15. Verleger dieses Neunkircher Wochenblattes sowie der 1885 gegründeten
6 Deutsche Allgemeine Bergarbeiter-Zeitung vom 1. 9. 1889 (Nr. 1).
7 Deutsche Allgemeine Bergarbeiter-Zeitung vom 6. 10. 1889 (Nr. 6).
8 Glückauf/Zwickau vom 5. 10. 1889 (Nr. 37). SJZ vom 27. 9. 1889 (Nr. 226).
9 Eingabe Schneidts an LR zur Nedden/SB vom 24. 10. 1889, Abschrift LHAK 442/6390.
10 RP Pommer-Esche/Trier an IM vom 29. 10. 1889, ebd.
11 SZ vom 3. 10. 1889 (Nr. 231). Erklärung Schneidts vom 10. 12. 1889, in: Der Bergbote vom
15.-31. 12. 1889 (Nr. 1), S. 1-3.
12 LR zur Nedden/SB an RP vom 29. 11. 1889, LHAK 442/6390. Imbusch, S. 388.
13 PK Utecht an BM Neff/St. Johann vom 25. 2. 1890, Abschrift LHAK 442/6694, 455 f. In der
Folgezeit trug sich Schneidt mit dem Gedanken, eine Zeitung ,,Rechtsschutz“ herauszugeben,
verwarf ihn aber im April 1890. Vgl. BM Neff/St. Johann an LR vom 1. 4. und 22. 4. 1890,
KrASB S/6. SJZ vom 16. 4. 1890 (Nr. 89). Als Heraugeber der Zeitschrift ,,Spottvogel“ und
als Verfasser der Broschüren „Die Hintermänner der Sozialdemokratie. Von einem Einge¬
weihten“, Berlin 1890 und „Die eiserne Maske. Das enthüllte Geheimnis der Sozialdemokra¬
tie“, Berlin o. J. (1891) plauderte Schneidt in den nächsten Jahren aus dem politischen Näh¬
kästchen und machte sich als Skandaljournalist einen Namen. Vgl. Bgmfr. vom 24. 6. 1892
(Nr. 35). BAT 85/282b, S. 114 ff. Mitteilungen der Zentral-Auskunftsstelle der katholischen
Presse vom 11.9. 1905 (Nr. 36). Thoma, S. 307 f. Fohrmann, S. 328 f.
14 BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 12. 10. 1889, SAFR, Best. RSV, 130 — 133.
15 Warken an BM/Friedrichsthal vom 4. 9. 1889, ebd., 108.
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