Mysteriums geworfen, die häufige Verwendung von Sakralbegriffen verstärkte dies
noch. Wenn überhaupt vom RSV die Rede war, dann machte man dessen Gründung
zum göttlich inspirierten Schöpfungsakt des ,,Vaters“ und „Führers“ Warken:
,,Kameraden, bedenket mit wahrem Sinn,
da lieget nur Gottes Hilfe drin.
Auf Gottes Hilfe hat Warken vertraut,
mit ihr hat er auch den Rechtsschutzverein gebaut.
Es war auch nicht mehr zum Weiterleben,
drum hatten wir uns schon ganz ergeben.
Doch der gerechte Gott lebt noch,
er hat den Warken bestimmt, zu erleichtern unser Joch“12 13.
Man sang „Heil dir im Siegerkranz, heil Warken dir!“'2 und beabsichtigte damit noch
keine Parodie der preußischen Nationalhymne, sondern lediglich die hymnische Über¬
steigerung von Warkens Person, diesmal im patriotischen Gewand. Aus diesem Rah¬
men fielen in der Frühphase des RSV nur zwei Texte, die allerdings beide nach Begriffs¬
wahl und Metrik kaum aus dem Saarrevier selbst stammen: Ein „Reichstagswahllied“
für Warken nach der Melodie: „Ich bin ein Preuße, kennt ihr meine Farben“14 15; hier
tauchte Warken lediglich in der Schlußzeile auf — ein beliebig austauschbares Namens-
insert. Parallel dazu kam das satirisch gemeinte ,,Glaubensbekenntnis eines Deut¬
schen“'2 in Umlauf, ein wohl aus sozialdemokratischer Quelle stammender Text, den
Stumm als Beispiel für die „Verletzung der religiösen Gefühle der Nation“ am 23.
April 1891 sogar im Reichstag rezitierte16 17.
Mit dem am 28. September 1890 in Klarenthal erstmals gesungenen „Rechtsschutz-
Lied“'7 nach der Melodie der „Wacht am Rhein“ fand die Bergmannslyrik an der Saar
den Anschluß an die übrigen Reviere:
„Es braust ein Ruf so schnell wie Pest,
daß Warken sitzet im Arrest.
Von Bildstock bis nach Von der Heydt,
sind wir gerührt in tiefem Leid.
: Kameraden, wir müssen einig sein,
fest stehn wir treu zum Rechtsschutzverein:“.
12 Im Sommer 1890 in mehreren Versammlungen des RSV rezitiert. Abschriften KrASB S/5 und
LHAK 442/4420, 387-390.
13 Von der Osten (Verein zur Wahrung der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen der Saarin¬
dustrie) an LR/SB vom 15. 1. 1890, KrASB S/4. Bgmfr. vom 4. 1. 1893 (Extrablatt).
14 Erstmals in einer Wahlversammlung in Gersweiler am 17. 2. 1890 vorgetragen, BM Mainz/
Gersweiler an LR vom 19. 2. 1890, KrASB S/4. Text abgedruckt in EW vom 9. 3. 1890 (Nr.
10) sowie teilweise in SZ vom 19. 2. 1890 (Nr. 42). Ein gleichlautendes Lied wurde auch für
Bachmann verteilt, LR Hagen/WND an RP vom 27. 3. 1890, LHAK 442/6648, 75 — 78.
15 SAFR, Best. RSV, 104. Von Stumm erstmals in seiner Baumholder Wählerversammlung am 2.
2. 1890 vorgetragen, SBZ vom 4. 2. 1890 (Nr. 29). Ein ähnlicher, wenn auch weit schärferer
Text unter dem Titel ,,Neuestes Vater-Unser“ abgedruckt bei Tenfelde : Sozialgeschichte,
S. 531, Fn 198.
16 Tille (Hrsg.): Die Reden des Freiherrn Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, Bd. 8, S. 158 f.
17 Gemeindevorsteher Krämer/Klarenthal an BM Mainz/Gersweiler vom 29. 9. 1890, KrASB S/
10. Als Flugzettel gedruckter Text ebd. und LHAK 442/4304, 487. Abgedruckt bei K ö h 1er /
Meier, S. 361 f. Wolfgang Steinitz: Deutsche Volkslieder demokratischen Charakters
aus sechs Jahrhunderten, Bd. 1 (= Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Veröf¬
fentlichungen des Instituts für deutsche Volkskunde, Bd. 4/1), Berlin 1954, S. 286. Walter
Moßmann /Peter Schleuning: Alte und neue politische Lieder. Entstehung und Ge¬
brauch, Texte und Noten, Reinbek 1978, S. 39 f.
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