Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

Heinitz an der Einfahrt hindern wollten '7; gleichzeitig ging die Zahl der Streikenden 
auf 1831 zurück37 38. Montags, am 25. Mai, lief Velsens Ultimatum ab; an diesem Tag 
fuhren die Belegschaften der beiden Inspektionen wieder vollständig an39. 
Die Bergwerksdirektion griff hart durch: 27 Bergleute wurden für immer abgelegt, 
109 zeitweise; über jeden Streikteilnehmer verhängte man die Höchststrafe von 6 M. 
wegen Kontraktbruchs. Die Zahl der Gemaßregelten wuchs damit auf 42 40. „Leute, 
welche es sich zur Aufgabe machen, allen Verwarnungen zum Trotz fortgesetzt in het¬ 
zerischer Weise gegen die hiesige Bergverwaltung, gegen die ihnen Vorgesetzten Beam¬ 
ten oder gegen ihre ordnungsliebenden ruhigen Mitarbeiter vorzugehen, dulden wir 
nicht in unserer Belegschaft"41 42, beschied Velsen die Entlassenen. Auch Landrat zur 
Nedden war für „wohlverdiente Strenge“, damit die Gemaßregelten „ein warnendes 
Beispiel für hier und anderswo darbieten“42. Die Leitung des RSV erhielt somit zwar 
dauernden Zündstoff, aber Bergwerksdirektion und Landrat setzten anscheinend dar¬ 
auf, daß die Organisation wegen der nunmehr sprunghaft ansteigenden Unterstüt¬ 
zungsgelder zerbrechen werde. 
Der Mai-Streik bot auch an der Saar die Gelegenheit, „das unbefugte Verweilen in der 
Nähe der Arbeitsstätten“ während eines Ausstandes zu verbieten. Am 27. August 1891 
empfahlen Berlepsch und Herrfurth, eine entsprechende Verfügung des westfälischen 
Oberpräsidenten auf alle Bergwerksbezirke auszudehnen, bereits im Juni sprachen sich 
die Bürgermeister der wichtigsten Bergarbeiterorte des Saarreviers dafür aus43. Der 
Provinzialrat der Rheinprovinz beschloß daraufhin am 19. März 1892 eine Polizeiver¬ 
ordnung nach westfälischem Muster. Um keinen Agitationsstoff zu bieten, erklärten 
sich Berlepsch und Herrfurth damit einverstanden, daß „von der Verkündigung dieser 
Verordnung vorerst noch Abstand genommen werde“44. Streikposten konnten künftig 
mit Geldstrafen bis zu 60 M. oder entsprechender Haft belangt werden, eine weitere 
Lücke in der staatlichen Repressivgesetzgebung war damit geschlossen. 
Der völlig mißlungene Mai-Streik 1891 demonstrierte die Schranken des RSV. Die 
Führung konnte sich auf keine gemeinsame Konfliktstrategie einigen und überschätzte 
mehrheitlich den Solidarisierungseffekt der beiden vorangegangenen Ausstände. Trotz 
entsprechender Beschlüsse legten lediglich die Belegschaften die Arbeit nieder, die un¬ 
37 LR Tenge/OTW an RP vom 24. 5. 1891, LHAK 442/4380. RP Heppe/Trier an OP vom 5. 6. 
1891, LHAK 403/6833, 663 -682. 
38 SZ vom 23. 5. 1891 (Nr. 117). RP Heppe/Trier an IM vom 24. 5. 1891, LHAK 442/6390. E. 
Müller, S. 60, gibt 2201 Streikende an. 
39 RP Heppe/Trier an IM vom 25. 5. 1891, LHAK 442/6390. Brandt, S. 83, nennt fälschli¬ 
cherweise den 26. Mai. Die von E. Müller, S. 60, für Sonntag, den 24. Mai, genannte Zahl 
von 260 Streikenden bezog sich auf außerordentliche Notstands- und Reparaturarbeiten. 
40 Velsen/BWD an LR/SB vom 19. 6. 1891, KrASB S/3. LR zur Nedden/SB an RP vom 29. 5. 
1891, Konzept ebd., Ausfertigung LHAK 442/4380. 
41 Velsen/BWD an HM vom 18. 7. 1891, Abschriften KrASB S/3 und LHAK 442/4274. Velsen 
bezog sich dabei auf eine am 25. Juni 1891 verfaßte Eingabe an Berlepsch, vgl. Beigeordneter 
Schmidtborn/Friedrichsthal an LR vom 26. 6. 1891, Abschrift LHAK 442/4380. Die Gema߬ 
regelten durften erst ab 1. April 1892 Einzelgesuche um Wiederanlegung stellen, wobei Velsen 
dem Landrat mündlich versicherte, „daß nur solche berücksichtigt werden würden, die sich in 
der Zwischenzeit von aller Agitation pp. fern gehalten haben“, LR zur Nedden/SB an RP vom 
28. 3. 1892, Konzept KrASB S/7, Ausfertigung LHAK 442/4376. 
42 LR zur Nedden/SB an RP vom 27. 5. 1891, LHAK 442/4380. 
43 Stellungnahmen der Püttiinger, Dudweiler, Friedrichsthaier und Sulzbacher Bürgermeister, 
KrASB S/3. Vgl. Saul: Der Staat und die „Mächte des Umsturzes“, S. 304. 
44 Provinzialratsbeschluß vom 19. 3. 1892, LHAK 403/7028. OP i. V. Estorff/Koblenz an RP/ 
Trier vom 17. 5. 1892, Abschrift KrASB S/3. 
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