Heinitz an der Einfahrt hindern wollten '7; gleichzeitig ging die Zahl der Streikenden
auf 1831 zurück37 38. Montags, am 25. Mai, lief Velsens Ultimatum ab; an diesem Tag
fuhren die Belegschaften der beiden Inspektionen wieder vollständig an39.
Die Bergwerksdirektion griff hart durch: 27 Bergleute wurden für immer abgelegt,
109 zeitweise; über jeden Streikteilnehmer verhängte man die Höchststrafe von 6 M.
wegen Kontraktbruchs. Die Zahl der Gemaßregelten wuchs damit auf 42 40. „Leute,
welche es sich zur Aufgabe machen, allen Verwarnungen zum Trotz fortgesetzt in het¬
zerischer Weise gegen die hiesige Bergverwaltung, gegen die ihnen Vorgesetzten Beam¬
ten oder gegen ihre ordnungsliebenden ruhigen Mitarbeiter vorzugehen, dulden wir
nicht in unserer Belegschaft"41 42, beschied Velsen die Entlassenen. Auch Landrat zur
Nedden war für „wohlverdiente Strenge“, damit die Gemaßregelten „ein warnendes
Beispiel für hier und anderswo darbieten“42. Die Leitung des RSV erhielt somit zwar
dauernden Zündstoff, aber Bergwerksdirektion und Landrat setzten anscheinend dar¬
auf, daß die Organisation wegen der nunmehr sprunghaft ansteigenden Unterstüt¬
zungsgelder zerbrechen werde.
Der Mai-Streik bot auch an der Saar die Gelegenheit, „das unbefugte Verweilen in der
Nähe der Arbeitsstätten“ während eines Ausstandes zu verbieten. Am 27. August 1891
empfahlen Berlepsch und Herrfurth, eine entsprechende Verfügung des westfälischen
Oberpräsidenten auf alle Bergwerksbezirke auszudehnen, bereits im Juni sprachen sich
die Bürgermeister der wichtigsten Bergarbeiterorte des Saarreviers dafür aus43. Der
Provinzialrat der Rheinprovinz beschloß daraufhin am 19. März 1892 eine Polizeiver¬
ordnung nach westfälischem Muster. Um keinen Agitationsstoff zu bieten, erklärten
sich Berlepsch und Herrfurth damit einverstanden, daß „von der Verkündigung dieser
Verordnung vorerst noch Abstand genommen werde“44. Streikposten konnten künftig
mit Geldstrafen bis zu 60 M. oder entsprechender Haft belangt werden, eine weitere
Lücke in der staatlichen Repressivgesetzgebung war damit geschlossen.
Der völlig mißlungene Mai-Streik 1891 demonstrierte die Schranken des RSV. Die
Führung konnte sich auf keine gemeinsame Konfliktstrategie einigen und überschätzte
mehrheitlich den Solidarisierungseffekt der beiden vorangegangenen Ausstände. Trotz
entsprechender Beschlüsse legten lediglich die Belegschaften die Arbeit nieder, die un¬
37 LR Tenge/OTW an RP vom 24. 5. 1891, LHAK 442/4380. RP Heppe/Trier an OP vom 5. 6.
1891, LHAK 403/6833, 663 -682.
38 SZ vom 23. 5. 1891 (Nr. 117). RP Heppe/Trier an IM vom 24. 5. 1891, LHAK 442/6390. E.
Müller, S. 60, gibt 2201 Streikende an.
39 RP Heppe/Trier an IM vom 25. 5. 1891, LHAK 442/6390. Brandt, S. 83, nennt fälschli¬
cherweise den 26. Mai. Die von E. Müller, S. 60, für Sonntag, den 24. Mai, genannte Zahl
von 260 Streikenden bezog sich auf außerordentliche Notstands- und Reparaturarbeiten.
40 Velsen/BWD an LR/SB vom 19. 6. 1891, KrASB S/3. LR zur Nedden/SB an RP vom 29. 5.
1891, Konzept ebd., Ausfertigung LHAK 442/4380.
41 Velsen/BWD an HM vom 18. 7. 1891, Abschriften KrASB S/3 und LHAK 442/4274. Velsen
bezog sich dabei auf eine am 25. Juni 1891 verfaßte Eingabe an Berlepsch, vgl. Beigeordneter
Schmidtborn/Friedrichsthal an LR vom 26. 6. 1891, Abschrift LHAK 442/4380. Die Gema߬
regelten durften erst ab 1. April 1892 Einzelgesuche um Wiederanlegung stellen, wobei Velsen
dem Landrat mündlich versicherte, „daß nur solche berücksichtigt werden würden, die sich in
der Zwischenzeit von aller Agitation pp. fern gehalten haben“, LR zur Nedden/SB an RP vom
28. 3. 1892, Konzept KrASB S/7, Ausfertigung LHAK 442/4376.
42 LR zur Nedden/SB an RP vom 27. 5. 1891, LHAK 442/4380.
43 Stellungnahmen der Püttiinger, Dudweiler, Friedrichsthaier und Sulzbacher Bürgermeister,
KrASB S/3. Vgl. Saul: Der Staat und die „Mächte des Umsturzes“, S. 304.
44 Provinzialratsbeschluß vom 19. 3. 1892, LHAK 403/7028. OP i. V. Estorff/Koblenz an RP/
Trier vom 17. 5. 1892, Abschrift KrASB S/3.
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