Full text: Die Anfänge der Bergarbeiterbewegung an der Saar (1848 - 1904)

zember 1890 aus der Haft entlassen wurde49, bereitete man ihm einen triumphalen 
Empfang: In einer zweispänmgen Kutsche fuhr er durch das Sulzbachtal nach Bildstock. 
Die Schulkinder jubelten am Straßenrand, und der Sulzbacher ,,Instrumental-Verein“ 
sang: „Das ist der Tag des Herrn“. „Ein Sessel war für ihn bereitgeh alten und über sei¬ 
nem Kopfe prangte eine Krone“50. Man überreichte ihm etwa 10000 M., die von den 
RSV-Mitgliedern als Haftentschädigung gesammelt worden waren’’1. 
Die Bewunderung Warkens als „Märtyrer“ nahm in dieser Phase durchaus Züge der 
Heiligenverehrung an. ,,Wohlgeboren und geerder Herr Warcken!“, schrieben bei¬ 
spielsweise 59 Bergleute aus Erbach. „Hierüber geben wierihne aus Unbekannter wei¬ 
se für die Thätigkeit die sie uns erwiesen; da wier nie glaubten daß ein Mann geboren 
sei, der für uns in die Schrancke trith, und uns von der Underjochung zu befreuen sucht. 
Nach disem nehmen wiers zu den höchsten Pflichten, das nöthige zu thun, dafür Schän¬ 
ke uns Gott zu Ihrem und unserm Vohrhaben sein reichsten Segen“52. Mancherorts ver¬ 
glich man ihn mit Bismarck53, meist hörte man jedoch Sätze wie: „Warken und Bach¬ 
mann sind unsere Erlöser, wir warteten 20 Jahre auf sie“54. Diese Idolbildung korre¬ 
spondierte mit einem lebhaften Devotionahenhandel mit Pfeifen55 56, Zündholzdosen113 
und Zigarrenkisten, auf denen Warken abgebildet war. „In Orten mit überwiegend 
bergmännischer Bevölkerung dürfen kaum noch andere Cigarren zum Verkauf gelan¬ 
gen“57, berichtete selbst der St. Wendeier Landrat. Die Kehrseite dieses vorgewerk - 
schafthchen Personenkults bildeten wachsende ,, Uneinigkeit und Eifersucht“58 im üb¬ 
rigen Vorstand. 
„Wir verlangen nur was wir von unseren Vätern ererbt haben“59, hieß es in der Prokla¬ 
mation des RSV-Vorstandes vom 16. März 1890. Dieser Wunsch nach Rekonstruktion 
des untergegangenen Bergarbeiterstandes zeigte sich nicht nur in den Forderungskata¬ 
logen, er bildete auch die Legitimationsgrundlage der entstehenden Bergarbeiterbewe¬ 
gung an der Saar. Die Konsolidierung des RSV war ein Reflex des „Neuen Kurses“. 
49 Die RSV-Vertrauensmänner fuhren vergebens nach Trier, weil zur Nedden „unter der Hand“ 
veranlaßt hatte, daß Warken „eine Stunde vor der vorschriftsmäßigen Zeit aus der Strafanstalt 
hinausgeschickt“ wurde, um einen Massenempfang zu verhindern. Dto. vom 3. 12. und 30. 
12. 1890, LHAK 442/4254. 
50 Nachrichten-Anzeiger der Bürgermeisterei Friedrichsthal-Bildstock vom 19. 1. 1891 (Nr. 15). 
SJVZ vom 7. 1. 1891 (Nr. 4). BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 9. 1. 1891, SAFR, Best. 
RSV, 309 f. 
51 LR zur Nedden/SB an RP vom 11.1. 1891, LHAK 442/4254. BM Forster/Friedrichsthal an 
LR vom 24. 12. 1890, SAFR, Best. RSV, 301 f. 
52 SAFR, Best. RSV, 84. Vgl. Gottfried Korff : Bemerkungen zum politischen Heiligenkult im 
19. und 20. Jahrhundert, in: Günther Stephenson (Hrsg.): Die Religionswandel unserer Zeit 
im Spiegel der Religionswissenschaft, Darmstadt 1976, S. 216 — 230. 
53 BM Woytt/Sulzbach an LR vom 28. 3. 1890, KrASB S/5. 
54 Stenographische Mitschrift der Bildstocker Versammlung vom 9. 12. 1890, SAFR, Best. RSV, 
297-299, Zitat S. 297. 
55 Nachrichten-Anzeiger der Bürgermeisterei Friedrichsthal-Bildstock vom 28. 10. 1890 (Nr. 
253). 
56 LR zur Nedden/SB an RP vom 15. 5. 1891, LHAK 442/4380. 
57 LR Hagen/WND an RP vom 11.4. 1891, LHAK 442/4221. Daß Warken das Eingangstor des 
Grühlingstollens sprengte bzw. durch eine Steigerstelle bestochen werden sollte, wie der War- 
ken-Enkel Bernhard Besch , S. 84 f., schreibt, dürfte jedoch der Legendenbildung entstam¬ 
men. Für den ersteren Fall müßten sich Aktenbelege finden lassen, den Bestechungsversuch 
hätte Warken mit Sicherheit agitatorisch genutzt. 
58 LR zur Nedden/SB an RP vom 2. 4. 1890, KrASB S/5. Vgl. BM Forster/Friedrichsthal an LR 
vom 1. 10. 1890, SAFR, Best. RSV, 277 f. 
59 Exemplare SAFR, Best. RSV, 202 und LHAK 442/4169. 
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