kampf bemühte sich Dasbach zunächst, Bachmanns Kandidatur durch Hinweis auf sei¬
ne eigenen Verdienste um die Bergarbeiter als überflüssig erscheinen zu lassen35. Eines
seiner wichtigsten Argumente gegen Stumm war der Vorwurf der Wahlbeeinflussung.
Da keine gesetzliche Regelung über die Verwendung einheitlicher Stimmzettel bestand,
machte ihm Dasbach den Vorschlag, Wahlzettel von gleicher Beschaffenheit drucken
zu lassen, damit das Votum nicht durch Beobachter vor oder im Wahllokal an Farbe
oder Qualität des Papiers erkannt werden könne36. Stumm lehnte dies strikt ab: „Ich
betrachte das Verfahren, den Namen auf einem Wahlzettel durchzustreichen und einen
anderen darüber zu schreiben, als den Versuch einer solchen Fälschung, denn wie leicht
kann es Vorkommen, daß ein Wähler seinen Wahlzettel abends auf den Tisch legt und
ihn am anderen Morgen zur Wahlurne bringt, ohne zu bemerken, daß ihm jemand den
Wahlzettel gefälscht hat . . . Ähnlich steht es mit den Wahlzetteln von gleichem
Format“ '7. Stumm wiederum fand in Dasbachs indirekter Mitwirkung an der Grün¬
dung des RSV dessen Achillesferse. Er warf ihm vor, ,,Kapital aus der Unzufriedenheit
der Bergleute zu ziehen, um für sich Einfluß, Ansehen und pekuniäre Vortheile zu ge¬
winnen“^. Seine Polemik gipfelte in dem Vorwurf: „Den sozialen und konfessionellen
Frieden gefährdet er wie kein anderer in Deutschland“^. Dasbach befand sich hier
wirklich in einer Zwickmühle: Wegen seiner Kandidatur gegen Bachmann warfen ihm
viele Bergleute vor, „er nehme sich nicht der Arbeiter an, um ihre soziale Lage zu ver¬
bessern, sondern um sie für das Zentrum zu gewinnen“*0. Stumm wiederum stilisierte
ihn zum Demiurgen der Bergarbeiterbewegung. „Die ich rief, die Geister, werd ich nun
nicht los“, dieser Vers aus Goethes „Zauberlehrling“ charakterisiert Dasbachs ver¬
trackte Situation. Er geriet in die Defensive und begann eine vorsichtige Absetzbewe¬
gung vom RSV: „Und wenn neuerdings in der Bewegung unserer Bergarbeiter man¬
ches zu Tage getreten ist, was auf sozialdemokratische Einflüsse zurückgeführt werden
muß, so ist Herr Kaplan Dasbach nicht Schuld daran. Gerade der Thätigkeit des letzte¬
ren ist es zuzuschreiben, daß die Bewegung der Bergleute nicht von vornherein in das
sozialdemokratische Fahrwasser gerathen ist“4] 41. Stumm selber erklärte: „Mein Stolz ist
es von jeher gewesen, ,Arbeiterkandidat‘ zu sein“42 43. Er äußerte Sympathie für berech¬
tigte Wünsche, schlug zu deren Durchsetzung jedoch den traditionellen Beschwerde¬
weg oder aber die Vermittlung durch Abgeordnete vor. Immer wieder bemühte er sich,
Vertrauen in die ständische Pyramide zu wecken: „Ein schwerer Irrtum sei es, zu glau¬
ben, daß durch diese Solidarität die Macht der Bergleute steige. Nicht ihre Macht, son¬
dern lediglich das ihnen entgegengebrachte Wohlwollen habe die Erfüllung ihrer Wün¬
sche erzielt“42.
35 PK Brasch an BM Ludwig/NK vom 17. 2. 1890, Abschrift LHAK 442/6653, 789 — 800. TLZ
vom 10. 2. 1890 (Nr. 39).
36 SBZ vom 22. 2. 1890 (Nr. 45). Vgl. Dasbach an IM Herrfurth vom 11.2. 1890, Abschrift
LHAK 442/6314, 46 f.
37 Stumm in einer Wählerversammlung in Neunkirchen am 16. Februar 1890, SBZ vom 18. 2.
1890 (Nr. 41).
38 TLZ vom 15. 2. 1890 (Nr. 45).
39 SBZ vom 18. 2. 1890 (Nr. 41).
40 Beilot, S. 184.
41 Flugblatt der SJVZ, SANK, Ungeordnete Bestände.
42 SBZ vom 28. 1. 1890 (Nr. 23). SZ vom 28. 1. 1890 (Nr. 23). EW vom 9. 2. 1890 (Nr. 6). Der
zentrale Wahlaufruf der Freikonservativen ist abgedruckt im Deutschen Geschichtskalender
1890, Bd. 1, S. 15 f.
43 Stumm in einer Wählerversammlung in Baumholder am 2. Februar 1890, SBZ vom 4. 2. 1890
(Nr. 29).
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