diger Schumacher — er war von Dasbach engagiert worden, da kein einheimischer
Rechtsanwalt die Vertretung übernehmen wollte63 — wies zwar darauf hin, daß ,,die
Angeklagten nicht in der Lage (waren), einstudirte Reden zu halten“66, dennoch griff
das Gericht am 19. Dezember 1889 zu einem drakonischen Strafmaß: Warken wurde
zu 6, Bachmann zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt67.
Anfang März 1890 verwarf das Reichsgericht den Revisionsantrag68. Warken — am 22.
März erneut zu 3 Monaten Gefängnis verurteilt, weil er sämtliche Steiger als ,,Spitzbu¬
ben“ bezeichnet hatte69 — mußte nunmehr eine 9monatige Haftstrafe antreten70. Eine
Bergarbeiterversammlung in Bildstock am 26. März beschloß zwar, dem Kaiser eine
Begnadigungsbittschrift zu überbringen71; doch die Deputation reiste nie ab, ,,da eine
Hoffnung auf Audienz bei Sr. Majestät kaum noch gehegt wird“72.
Für die Spitze des RSV begannen damit die leidvollen Hafterfahrungen: Warken wurde
am 14. November 1891 erneut zu einem Monat Gefängnis wegen Steigerbeleidigung
verurteilt73; den ganzen Januar 1892 über saß er in Untersuchungshaft, weil er laut De¬
nunziation eines abgefallenen Sozialdemokraten die Ermordung des Bergassessors Hil-
ger geplant hatte74. Bachmann wurde im Sommer 1890 zu 5 Wochen Haft wegen Stei¬
gerbeleidigung verurteilt'5, am 16. März 1891 erkannte die Saarbrücker Strafkammer
auf 8 Monate Gefängnis wegen ,,Aufreizung zum Klassenhaß“76.
Aber auch eine ganze Reihe einfacher Mitglieder des RSV wurde juristisch belangt: Der
Neudorfer Bergmann Friedrich Rupp erhielt beispielsweise 2 Monate Haft wegen Kör-
65 SZ vom 8.5. 1891 (Nr. 105). Fohrmann, S. 206. Auch Döhmer hatte die Verteidigung ab¬
gelehnt, vgl. L.R zur Nedden/SB an RP vom 10. 12. 1889, LHAK 442/4377.
66 Plädoyer Verteidiger Schumacher, Beleidigungsprozeß, S. 27 — 32, Zitat S. 27.
67 Abschrift der Urteilsbegründung vom 8. 4. 1890, LASB 564/770, 335 — 354. Urteilsbekannt¬
machung in SZ vom 12. 4. 1890 (Nr. 85).
68 Verhandlungsbericht SZ vom 6. 3. 1890 (Nr. 55). LR zur Nedden/SB an SA Hepner/SB vom
5. 3. 1890, KrASB S/4.
69 Urteilsabschrift LASB 564/770, 376 f.
70 LR zur Nedden/SB an RP vom 22. 3. 1890, KrASB S/5. Am 12. Juli 1890 wurde Warken vom
Saarbrücker ins Trierer Gefängnis überführt, da zur Nedden Kassiberübermittlung sowie
Ausschreitungen bei dessen Entlassung befürchtete. LR zur Nedden/SB an RP vom 25. 6.
1890, ebd. Die Broschüre über den ,,Beleidigungsprozeß“ wurde für den Kolportagehandel
verboten, da sie ,,geeignet erscheint, in sittlicher Beziehung Ärgernis zu erregen“, Bezirksaus¬
schuß Trier an Warken vom 26. 4. 1890, Abschrift ebd. Vgl. LR zur Nedden/SB an RP vom
22. 3. 1890, ebd.
71 BM Forster/Friedrichsthal an LR vom 27. 3. 1890, SAFR, Best. RSV, 210 f.
72 Dto. vom 10. 4. 1890, ebd., 213. LR zur Nedden/SB an RP vom 9. 4. 1890, KrASB S/10. Die
beiden Neunkircher Vertrauensmänner Malter und Lauer erklärten hingegen ihren Austritt
aus dem RSV: „ Unsere Losung ist Liebe und Treue zu Kaiser und Reich; für Verbrechen
aber geben wir uns nicht her“, SZ vom 5.3. 1890 (Nr. 54).
73 Urteil der Strafkammer des Saarbrücker LG vom 14. 11. 1891, Abschrift KrASB S/7. LR Ba¬
ke/SB an RP vom 27. 11. 1891, Konzept KrASB S/7, Ausfertigung LHAK 442/4274, Ableh¬
nungsbescheid des Revisionsantrags durch den 1. Strafsenat des Reichsgerichts vom 4,2. 1892,
Abschrift LASB 564/1294, 381 -383.
74 SJZ vom 22. 1. 1892 (Nr. 18). Warken wurde erst auf Beschluß des OLG Köln wieder freige-
lassen, vgl. RP Heppe/Trier an OP vom 6. 2. 1892, LHAK 403/6835, 361 —375. Warken
spricht in seiner Chronik von 34 Verurteilungen „mit zusammen 32 Monaten“, LASB, Ein¬
zelstücke Nr. 91, S, 1.
75 Strafantrag BWD vom 9. 4, 1890, LASB 564/770, 332 f. Urteil des Saarbrücker Schöffenge¬
richts vom 22. 5. 1890, Abschrift ebd., 391 — 393. Urteil der Strafkammer des Saarbrücker LG
vom 12. 7. 1890, Abschrift ebd., 387-390,
76 Urteilsbegründung der Strafkammer des Saarbrücker LG vom 16. 3. 1891, Abschrift LHAK
442/4380. Ablehnungsbescheid des Revisionsantrags durch den 1. Strafsenat des Reichsge¬
richts vom 28. 5. 1891, Abschrift ebd.
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