7.2 Der ,,Rechtsschutzverein für die bergmännische Bevölkerung der Gruben des
Kreises Forbach“
Während des eigentlichen Saar-Streiks war es auf den benachbarten lothringischen
Gruben ruhig geblieben. Erst im Herbst 1889 unternahmen die Bergleute Versuche,
sich zu organisieren. Eine Versammlung der Kleinrosseler Belegschaft in Altglashütte
am 22. September beschloß beispielsweise den Beitritt zum „Rechtsschutzverein für die
bergmännische Bevölkerung des Oberbergamtsbezirks Bonn“. Doch als der Vorsitzen¬
de die Statuten verteilen wollte, wurde er daran von dem anwesenden Polizeikommis¬
sar Merten wegen Verstoßes gegen das Vereinsgesetz gehindert1. Eine Versammlung in
Großrosseln sieben Tage später sprach sich darum auf Warken’s Anregung für die
Gründung eines eigenen Rechtsschutzvereins für Elsaß-Lothringen aus2. Da viele
Bergleute des Warndtwaldes in den benachbarten Lothringer Gruben arbeiteten, kam
diesem Beschluß durchaus richtungweisende Bedeutung zu. Die Belegschaft der von
,,Sarre et Moselle“ betriebenen Grube Spittel beispielsweise wählte sich einen Vor¬
stand, der mehrheitlich aus Lauterbacher Bergleuten bestand. Als der Vorstandsspre¬
cher abgelegt wurde, weil er von der Direktion eine Lohnerhöhung verlangt hatte,
brach in Spittel am 31. Oktober 1889 ein Streik aus3. Bei Verhandlungen mit der Direk¬
tion wurde den Bergleuten zwar die Beantragung von Lohnerhöhung zugesagt, der ge¬
samte Belegschaftsvorstand jedoch abgelegt. Am 6. November brach der Streik zusam¬
men4.
Im Anschluß an den mißglückten Spitteier Ausstand bildete sich der ,,Rechtsschutzver¬
ein für die bergmännische Bevölkerung der Gruben des Kreises Forbach“, der Anfang
Dezember behördlich genehmigt wurde5. Sitz der Organisation wurde Kleinrosseln,
ihr Statut war dem des Rechtsschutzvereins auf den preußischen Saargruben nachgebil¬
det. Etwa 700 Mitglieder schrieben sich ein. Ein Vertrauensmannsbezirk mit Sitz in
Differten lag auch auf saarländischem Boden; er zählte 1891 nur noch 60 Mitglieder6.
Der Vorsitzende des lothringischen Rechtsschutzvereins, der Kleinrosseler Bergmann
Nikolaus König, ließ sich am 9. Februar 1890 von einer Versammlung in Altglashütte
als unabhängiger Kandidat für den Reichstag aufstellen7. In seinem Wahlaufruf sprach
er sich für Arbeiterschutz auf der Grundlage der Februarerlasse aus, er trat „für die
Rechte und Freiheiten (her Confessionen, für die verfassungsmäßigen Rechte des Volkes
in Unterstützung des monarchischen Prinzips“ ein, „gegen alle Ausnahmegesetze“,
„für die nötige Wehrmacht des Reiches, jedoch mit Berücksichtigung weiser Sparsam¬
keit, wo es angeht“8 — ein politisches Programm, das von dem des Zentrums nicht zu
unterscheiden war. König unterlag im Wahlkreis Forbach-Saargemünd, obwohl er
3 827 Stimmen auf sich vereinigen konnte9.
1 SZ vom 25. 9. 1889 (Nr. 224).
2 BM Forster/Friedrichsthal an SA Hepner/SB vom 27. 10. 1889, KrASB S/4a.
3 SZ vom 4. 11. 1889 (Nr. 258).
4 BM Petermann/Ludweiler an LR vom 6. 11. 1889, Abschrift LHAK 442/4138. SZ vom 7. 11.
1889 (Nr. 261).
5 SZ vom 12. 12. 1889 (Nr. 291). Auch H u e : Bergarbeiter, Bd. 2, S. 404 und Kiefer: 25 Jah¬
re, S. 18 erwähnen die Gründung; lediglich Imbusch, S. 399-401 räumt dieser, ihm ge¬
werkschaftspolitisch nahestehenden Vereinigung größeren Raum ein.
6 Verzeichnis der politischen Vereine des Kreises Saarlouis vom 18. 4. 1891, LFIAK 403/6863,
245.
7 SMZ vom 13. 1. 1890 (Nr. 9). SZ vom 11. 2. 1890 (Nr. 36).
8 SZ vom 13. 2. 1890 (Nr. 38).
9 Soell, S. 65.
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