einem Briefwechsel mit Lentze kam es zur ,,einstweiligen Verständigung“ und zur
Aufhebung der Blattsperre39.
Die Behörden hingegen standen den evangelischen Arbeitervereinen sympathischer ge¬
genüber. Konferenzen der Konsistorien und des Kultusministeriums im Juli 1890 emp¬
fahlen die Gründung weiterer Vereinigungen40, und Berlepsch antwortete Pfarrer
Weber, dem Verbandsführer, daß er eine ,,kräftige Entwicklung der evangelischen Ar¬
beitervereine mit Freuden begrüßen werde“, daß die Landräte aber aus Gründen des
konfessionellen Friedens keine offizielle Unterstützung leisten könnten41. Der Saar¬
brücker Landrat zur Nedden teilte dieses Wohlwollen:,,Der,richtige Mann an der rich¬
tigen Stelle' kann zweifellos derartige Vereine zu sehr segensreich wirkenden ,socialen
Blitzableitern' ausgestalten“4“. Sein Ottweiler Kollege Tenge dagegen sah die Sache skep¬
tischer. Seiner Meinung nach würden die gemäßigten katholischen Bergleute durch die
evangelischen Arbeitervereine in den RSV getrieben43. Auch die leitenden Beamten der
Bergwerksdirektion — fast durchweg selber evangelisch — verfolgten die Vereinsent¬
wicklung mit Interesse. Beim ersten Verbandsfest in Dudweiler am 19. Juli 1891 konn¬
te man ,,mehrere der Herren Oberberg- und Bergräte unter den Festteilnehmern er¬
blicken“, Berginspektor Hilger war als Festredner vorgesehen44. Doch aus Rücksicht
auf die konfessionelle Parität arbeiteten die Staatsbeamten nicht in den Vereinen selber
mit. Pfarrer Fauth sprach in einem Referat auf einer Pfarrkonferenz Ende 1893 von
,,völlige(r) Gleichgültigkeit sowohl der Verwaltungs-, als auch der Bergbeamten“45,
Lentze monierte drei Jahre später die ,,kühle Zurückhaltung und vornehme Reser¬
ve“46.
1892 kamen evangelische Arbeitervereine in Scheidt47 und Oberbexbach48 hinzu, 1893
in St. Arnual49, Fieiligenwald, Wiebelskirchen und Niederlinxweiler50. Am zweiten
Verbandsfest in Saarbrücken am 17. Juli 1892 nahmen zwar über 600 Personen teil51,
doch der zahlenmäßige Einfluß der evangelischen Arbeitervereine in der Bergarbeiter¬
bewegung blieb gering. Die Ortsverbände im eigentlichen Grubenrevier rekrutierten
sich zwar mehrheitlich aus Bergleuten, doch insgesamt dürfte deren Zahl kaum 1 000
erreicht haben. Die schmale konfessionelle Basis verhinderte eine weitere Ausdehnung;
das sozialpazifistische Konzept, das Fehlen alternativer Vorschläge und eigener Forde¬
rungen machte die evangelischen Arbeitervereine von Anfang an unattraktiv.
39 Freiherr von Stumm-Halberg und die evangelischen Geistlichen im Saargebiet, S. 61. Vgl.
Saam, S. 236, 238.
40 Hellwig: Stumm, S. 537.
41 RP i. V. Geldern/Trier an LR/SB vom 27. 5. 1890, KrASB S/3.
42 LR zur Nedden/SB an RP vom 10. 6. 1890, Konzept KrASB S/3, Ausfertigung LHAK 442/
6385, 559-563, Zitat S. 563.
43 LR Tenge/OTW an RP vom 9. 11. 1889, LHAK 442/4138.
44 EW vom 26. 7. 1891 (Nr. 30).
45 EW vom 29. 10. 1893 (Nr. 44).
46 Freiherr von Stumm-Halberg und die evangelischen Geistlichen im Saargebiet, S. 28.
47 EW vom 31. 1. 1892 (Nr. 5).
48 Bgmfr. vom 16. 9. 1892 (Nr. 59).
49 EW vom 16. 4. 1893 (Nr. 16).
50 Saam, S. 239.
51 EW vom 24. 7. 1892 (Nr. 30).
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