Klinkenborg151 widersprochen, indem er gegenüber Otto Hintze152 für Bran¬
denburg nachgewiesen hat, daß die eigentlich maßgebenden Entscheidungen
nicht in der Ratsstube fielen, sondern im engeren Wirkungsbereich des Kur¬
fürsten, in dessen Kammer, und daß ferner der Geheime Rat nicht einen „Aus¬
bruch aus dem Hofrat", wie dies Eduard Rosenthal153 formulierte, sondern eine
Ausgliederung aus der kurfürstlichen Kammer darstellte. Gerhard Oestreich
konnte 1935 in seiner Untersuchung über das persönliche Regiment der deut¬
schen Fürsten am Beginn der Neuzeit Klinkenborgs Ergebnis als die allgemeine
und charakteristische Erscheinung dieser Zeit heraussteilen154. Diese Erkennt¬
nisse wurden in ihren wesentlichen Zügen durch die Untersuchungen Werner
Ohnsorges155 aus kursächsischen und braunschweigischen Quellen bestätigt,
ebenso durch die Arbeit von Kurt Dülfer156 zu Fürst und Verwaltung in Hessen.
Ferner hat Dülfer in seiner zusammenfassenden Studie über die Organisation
des fürstlichen Regierungssystems in der obersten Zentralsphäre auf das Fehlen
einheitlicher Entwicklungsgrundsätze in einzelnen Territorien hingewiesen
sowie auf die dadurch hervorgerufenen Unterschiede und damit vor allzu sche-
maüscher Betrachtung gewarnt157.
Es erscheint aber als ein allgemeiner Grundzug in der Literatur, daß der be¬
ginnende behördengeschichtliche Differenzierungsprozeß innerhalb der zentra¬
len Verwaltung die Scheidung der „geheimen" und der „gemeinen" Sphäre zur
Voraussetzung hatte. Die Herausbildung der „geheimen Sphäre" - sie äußert sich
im persönlichen Regiment Johanns I. - hat sich in Pfalz-Zweibrücken nur all¬
mählich vollzogen. Neben ihr erfolgte auch eine Differenzierung der allgemei¬
nen Geschäfte: Rechenkammer und Hofgericht erhielten ihre eigene Bedeutung.
Diese Erscheinungen bestimmten den vorläufig letzten Abschnitt der werden¬
den Behördenorganisation Pfalz-Zweibrückens.
151 klinkenborg, Ratsstube und Kanzlei; DERS, Die kurfürstliche Kammer.
152 hintze, Hof- und Landesverwaltung, S. 250: „(...) so ergibt sich, daß die Errichtung des
Geheimen Rates im Grunde nur die letzte entscheidende Phase des Differenzierungs¬
prozesses darstellt, durch den aus der alten ungeteilten Ratsstube der Hofordnung
(von 1537) als gesonderte Zentralbehörden das Kammergericht, die Amtskammer und
der Geheime Staatsrat hervorgegangen sind".
153 rosenthal, Die Behördenorganisaüon Kaiser Ferdinands I., S. 69.
154 oestreich, Das persönliche Regiment, hat an einer Reihe von Territorien gezeigt, daß
die Wurzel des Geheimen Rats und damit der modernen Ministerien nicht im älteren
Hofrat, sondern in dem persönlichen Beraterkreis des Fürsten, seinem Schreibbüro -
der Kammerkanzlei -, zu suchen ist
155 ohnsorge, Entstehung und Geschichte der Geheimen Kammerkanzlei; ders., Die Ver¬
waltungsreform unter Christian I.; ders., Fürst und Verwaltung.
156 dülfer, Fürst und Verwaltung.
157 dülfer, Organisation des fürsüichen Regierungssystems.
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