sitz; ansonsten hatte ihn der Hofmeister inne80, der dann auch die Umfrage
hielt. Dabei wurde jeweils folgendermaßen vorgegangen: Zunächst stellt der
Kanzler den Gegenstand vor, worüber zu beraten ist81. Nachdem er den Sach¬
verhalt vorgetragen hat vnd alsdann, der Relerendt oder der Ihenig so vmb die
sach am bessten Wissens haf82 gehört wurde, eröffnet der Hofmeister die Bera¬
tung. Sie verläuft nicht in der Form einer Disputation mit Rede und Gegenrede,
sondern die Räte tragen nacheinander gemäß der Sitzordnung83 ihr Votum vor.
Beim Votieren ist jede Weitläufigkeit zu vermeiden84; die Diskussionsbeiträge
haben kurz und sachlich85 zu sein. Beratungsgegenstände, die fachliches
Wissen und Erfahrung voraussetzten, wurden zunächst durch Referenten für
die Beschlußfassung im Kollegium vorbereitet. Die Verteilung der Referate er¬
folgte durch den Kanzler; das wichtigste Referat war das der rechthenngige
Sachen86. Die Reihenfolge der Erledigung richtete sich nach der Dringlichkeit;
für besonders wichtige Angelegenheiten waren außerhalb der Amtsstunden
Sondersitzungen abzuhalten87. In unbedeutenden Dingen wird das Beratungs¬
verfahren dadurch abgekürzt, daß der Vorsitzende nur zwei oder drei Räte fragt
Wenn diese - wohl die ranghöchsten und die Referenten - einer Meinung sind,
fragt er die anderen Räte, ob Widersprüche bestehen. Sollten gegensätzliche
Meinungen geäußert werden, nimmt der Hofmeister eine gesamte Umfrage vor
und faßt nach deren Ergebnis den Beschluß88. Die Erledigung von Beratungs¬
gegenständen außerhalb der Ratsstube war nicht gestattet89, allerdings mit einer
Ausnahme: Es were dann, das ainer vnder den Reten schwach, oder kranckh were.
oder nit ausgeen köndte. dessen berichts vnnd guetbedunckens man bedörffte.// Inn
welhem fall vnsern Reten erlaubt sein soll, so es die wichtigkait des handls erfordert.
80 Ist der Hofmeister abwesend, so fällt diese Aufgabe dem Kanzler bzw. bei dessen Ab¬
wesenheit dem ältesten Rat zu (Kanzleiordnung von 1559, Art 13, fol. 20a).
81 Kanzleiordnung von 1559, Art. 10, fol. 14b-15a.
82 Ebda., Art. 10, fol. 15a,- Zitat nach keiper/buttmann, Kanzlei-Ordnung, S. 27.
83 Für die Sitzordnung war allein das Dienstalter maßgebend. War der Fürst bei den Bera¬
tungen anwesend, so hielt er selbst die Umfrage unter den Räten, ohne dabei eine Rei¬
henfolge einzuhalten (Kanzleiordnung von 1559, Art. 11, fol. 15b).
84 Ebda., fol. 16a.
85 Ohne besonderen Grund soll sich niemand aus haimlicher Widerwill oder Feindschafft
zu widersprüchlichen Äußerungen hinreißen lassen, sondern sitigclich one allen Neid
vnd Zorn Vnnd allain anzaigen. was Zu dem handl vnd grünt der Sachen dinstlich ist [...].
Falls ein Rat keine neuen Gedanken Vorbringen kann, soll er die Umfrage nicht mit
langer vndienstlicher erzelung der geschieht, vnd erweiterung des Jhenigen. so der nechst.
oder anndere Rete vor Ime angezaigt verzögern, sondern sich demjenigen anschließen,
dessen Meinung er für die richtigste ansieht (Zitat nach keiper/buttmann, Kanzlei-
Ordnung, S. 28 f).
86 Kanzleiordnung von 1559, Art. 49, fol. 72b-73a (Zitat nach keiper/buttmann, Kanzlei-
Ordnung, S. 84).
87 Kanzleiordnung von 1559, Art. 8, fol. 1 lb.
88 Vgl. zum folgenden ebda., Art. 11, fol. 17a-17b.
89 Vgl. zum folgenden ebda., Art. 17, fol. 23b-24a
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