SCHLUSSBETRACHTUNG
Wie viele Länder im deutschen Westen und Südwesten war Pfalz-Zweibrücken
kein einheitlich strukturiertes Territorium. Die Herrschaftsrechte sind auf ver¬
schiedenen Grundlagen erwachsen: Aus einem Konglomerat von Allodial-,
Lehens- und Pfandbesitz an Boden und Rechten hat sich ein Territorium gebil¬
det, ohne daß die alte Herkunft der Herrschaftsrechte letztlich ganz verwischt
worden wäre. Die Wandlung vom Personenverbandsstaat zum Flächenstaat,
durch die die Entwicklung der Staatsbildung in den deutschen Territorien
charakterisiert ist, mußte zur Konzeption eines geschlossenen und abgerun¬
deten Staatsgebietes führen. Ein solches Gebiet in einem befriedigenden Grade
konnte Pfalz-Zweibrücken nicht erreichen. Gleichwohl ging die Absicht der
pfalz-zweibrückischen Territorialpolitik auf dieses Ziel zu, allerdings konnte es
nur in einem geringen Maße verwirklicht werden.
Dieses Land, das ohne räumlichen Zusammenhang von der mittleren Mosel bis
ins südliche Elsaß reichte und dessen Landesherr sowohl deutscher Reichsfürst
als auch - für seine elsässischen Besitzungen - Vasall des französischen Königs
gewesen ist, mußte das Augenmerk der französischen Politik auf sich ziehen:
Sie ist Mitte des 18. Jahrhunderts gegenüber dem unmittelbaren Grenznach¬
barn Pfalz-Zweibrücken durch Versuche gekennzeichnet, direkte Herrschafts¬
rechte in den umstrittenen elsässischen Gebieten zu erlangen oder bereits vor¬
handene weiter auszubauen; insofern unterscheidet sie sich keineswegs von
dem Vorgehen Frankreichs gegenüber den anderen betroffenen Reichsständen.
Der französische Hof ist keinen Schritt aus den einmal im Elsaß erreichten Posi¬
tionen zurückgewichen; man ist bestrebt, Sonderrechte in der Provinz zu unter¬
drücken und alle Besitzungen derjenigen Reichsstände, die im Elsaß begütert
sind, dem französischen Verwaltungssystem und der Rechtsprechung des
Conseil souverain d'Alsace zu unterwerfen. Während sich die Bürokratie im
Elsaß darauf beschränkt, die Rechte des Königs in den bereits unter französi¬
scher Souveränität stehenden Gebieten zur Geltung zu bringen und zu konsoli¬
dieren, erweist sich die Diplomatie als das aktive Element.
Je deutlicher abzusehen war, daß die Herzoge von Pfalz-Zweibrücken das Erbe
der Kurfürsten von der Pfalz und Bayern antreten würden, umso stärker wur¬
den die Versuche, die politische Führung des Fürstentums zu übernehmen. Die
französische Diplomatie verstand es, ihre Politik auf die persönliche Eigenart
des jeweils regierenden Herzogs abzustimmen. Niemals fehlte es an Hinweisen,
die das Gefühl der Abhängigkeit - in keiner Instruktion für die französischen
Gesandten am Zweibrücker Hof fehlt der Hinweis auf die Rechte des Königs in
den Grenzterritorien - erwecken mußten,- sie führten bisweilen auch zu Ver¬
stimmungen, die von den Gesandten von Fall zu Fall beseitigt wurden. Die Ein¬
flußnahme Frankreichs auf die pfalz-zweibrückische Politik wurde durch die
Tatsache erleichtert, daß das Land am Ende seiner finanziellen Leistungsfähig¬
keit angelangt und auf die französische Unterstützung angewiesen war.
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