Abbildungen der Grabdenkmäler ausgestattet sein sollte71)- Eine wahrhaft originelle Idee, die
ihren ganz besonderen Reiz dadurch erhalten mußte, daß die figürlichen Grabdenkmäler und
Epitaphien, vor allem der späteren Jahrhunderte, die Verstorbenen mit Porträtcharakter und
-ähnlichkeit darstellen. Vermutlich war diese neue Genealogie das „große Werk“, das ihm
vorschwebte.
Welche Komposition Dors letztlich wählen wollte, muß wohl offenbleiben. Auf seine Absicht,
die Form einer großen Stammbaumtafel zu wählen, scheint eine Stammbaumzeichnung der
walramischen Linie hinzuweisen72). Sie baut auf Walram und seiner Gemahlin Adelheid von
Katzenelnbogen auf und endet nach den Verästelungen in die Linien Weilburg, Wiesbaden-
Idstein und Saarbrücken mit drei Abkömmlingen des Grafen Wilhelm Ludwig von Nassau-
Saarbrücken: Moritz (f 1618), Elisabeth Sybille (j* 1627) und Georg Friedrich, natus et obiit
1630. Dors schrieb die Namen der Grafen und Gräfinnen in Rechtecke, meist mit dem To¬
desdatum, und kennzeichnete diejenigen, deren Grabsteine oder Epitaphien er bereits in Zeich¬
nungen erfaßt hatte, mit blaß-roter Farbe73).
Dieses Schema ist vielleicht mehr als nur eine Zusammenstellung dessen, was er mit viel Mühe,
Hin- und Herreisen und großen Kosten zusammengebracht hat[te]. Durch die strenge Glie¬
derung nach Generationen, ferner durch die Linien, mit denen die Abstammungen und die
Verschwägerungen der verschiedenen Zweige untereinander verbunden sind, sowie das klar er¬
sichtliche Aussterben der älteren Linie Nassau-Saarbrücken im 16. Jahrhundert, gewinnt die¬
ses Schema den Charakter einer umfassenden Genealogie der walramischen Linie der Grafen
von Nassau, wenngleich beschränkt auf die wichtigsten Personen, und zwar insbesondere die¬
jenigen, die Dors mittels seiner gezeichneten Grabsteine und Epitaphien nachweisen konnte.
Vielleicht hat Dors auch von vornherein das Monströse einer solchen Art von Darstellung
erkannt und deshalb die Form eines Genealogiebuchs gewählt. Darauf würde natürlich schon
das „Epitaphienbuch“ selbst hinweisen mit seiner umfangreichen Einleitung, die vor allem
aus dem roten idsteinischen Genealogienbuch schöpft. Dieses frühe genealogische Werk hätte
dann auch einen Weg gezeigt, wie sich ein Stammbaum sozusagen auch in Buchform darstel¬
len läßt: Durch die „Zerstückelung“ der Ranken und Äste, die trotzdem klar das Wachsen
des Stammes verdeutlichen.
Die Ranken der Pergamente (Abb. 89, 91, 95), die ja ihrerseits Fragmente des geplanten „Epita¬
phienbuchs“ darstellen, zeigen noch etwas anderes mit aller Deutlichkeit und unterstreichen
eine frühere Feststellung: Dors hat keine bloße Epitaphiensammlung geplant, sondern ein
„Genealogiebuch“. Er erhob den Anspruch, ein Genealoge zu sein. Zum „Epitaphienbuch“ wur¬
71) Das wird gestützt durch die Beobachtung, daß Dors offenbar die Position des oder der Dargestellten in
der Stammtafel durch eine Nummer fixierte. In der Reihenfolge der Anm. 65 ist A) bezeichnet mit
120, B) mit 124, C) mit 133. — Das prächtige Bild des Arkosolgrabes Graf Adolfs (D) trägt keine Num¬
mer. — Daß bei den Pergamenten keine Ranken festzustellen sind, die von den Oberkanten ausgehen,
die zu den Filialgenerationen führen, wird seinen Grund erstens darin haben, daß die Pergamente
knapp beschnitten wurden, zweitens darin, daß nur wenige Pergamente erhalten sind.
72) HHStA Wiesbaden Abt. 130 II A 51, fol. 3 (59,5 x36,5 cm).
73) Vermerk auf dem Blatt: Was hierinnen rot ist, solches ist ab den Epitaphiis genommen.
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