Was Ruppersberg von den Zuständen in den saarbrückischen Landesteilen berichtet, daß näm¬
lich alles „in Desolation und erbärmlichen Zustand sei . . .(und) die meisten Einwohner peste,
fame, bello gestorben“ seien 58), deckt sich mit dem, was Keller von den rechtsrheinischen Graf¬
schaften schreibt, daß „alles totaliter ruiniert sei, die Leute hinweggeflohen und aller Orten,
fast zur Hälfte, theils um ein ziemliches mehr ausgestorben“ 59). Der gräflichen Familie ging es
schlecht; nach und nach mußten „alle Kleinodien“ verkauft werden. Erst im Jahr 1639 be¬
willigte ihr der König von Frankreich eine Rente von 6000 Livres 60).
Der letzte Brief, der von Dors erhalten ist, datiert vom 10. Mai 1636 61). Schon in seinem äuße¬
ren Erscheinungsbild kleiner als die übrigen, formlos und in enger Schrift geschrieben, läßt er
das große Elend des Malers und seiner Familie erkennen. Dors hatte in Gießen einen Brief
Kolbs aus Straßburg erhalten. Der Maler zeigte sich in seinem Antwortschreiben gerührt, daß
in aller Angst und Trübsal überhaupt noch jemand an ihn dachte. Die vielfältigen Plünderun¬
gen, Beraubungen und die Flucht von Haus und Hof könne er nicht beschreiben. Er habe alles
verloren und wisse nicht, wie er sich und seine Frau ernähren solle. Seine Eltern, seine Brüder
und seine kleine Tochter seien gestorben, und er bäte Gott täglich, ihn und seine Frau aus die¬
sem Jammertal abzuberufen. Um sein Leben zu fristen, beschrifte er Büchsen bei einem Apo¬
theker. Gleichwohl denke er fortgesetzt an die Fertigstellung seines angefangen Werks. Was
die genealogischen Arbeiten anlangt, so teilte er mit, ihm sei ein großes Werk, das er für den
Grafen Philipp Reinhard von Solms62) gemacht habe, durch den Grafen von Rietberg genom¬
ger Haus „Zum Seidenfaden“, in: Korrespondenzblatt des Gesamtvereins der deutschen Geschichts-
und Altertumsvereine 1899, S. 144 ff.). Es ist daher anzunehmen, daß sich Graf Johann für einige Zeit
nach Straßburg geflüchtet hatte, mit Sicherheit aber seine Frau Sybille Magdalena, Tochter des Mark¬
grafen Georg Friedrich von Baden, dem der rheingräfliche Hof zu Straßburg gehörte (Seyboth S. 208).
Zwei Töchter Johanns sind 1642 in Straßburg gestorben.
58) Ruppersberg II, S. 99, 103.
59) Keller. Drangsale, S. 254 u. 369.
60) Ruppersberg II, S. 97 ff.
61) HHStA Wiesbaden Abt. 130 II A 19. fol. 7 f. Nur im ersten, von Dors bekannten Schreiben, benutzt
er das Doppeldatum (alter und neuer Stil in Bruchform), und nur im letzten Schreiben setzt er „stilo
vetere“ hinzu. Es wurde stillschweigend vorausgesetzt, daß Dors — wie auch seine Briefpartner — den
alten Stil benutzte, und die Daten überall deshalb in den neuen Stil umgerechnet (Anm. des Bearbei¬
ters).
62) Die Grafen von Solms waren mit der Dillenburger Linie des Hauses Nassau verwandt. Zwei Töchter
des Grafen Johann von Nassau-Dillenburg waren mit Solmser Grafen verheiratet: Juliane (1565—1630)
in zweiter Ehe seit 1619 mit Johann Albrecht zu Solms-Braunfels (1563—1623), Amalie (1582—1635)
seit 1600 mit Wilhelm zu Solms-Greifenstein (1570—1635) (vgl. Isenburg I. 116). Kremer, Originum I,
S. 6 und 46 berichtet, daß sich die Grafen von Solms sehr verdient gemacht hätten durch den Nach¬
weis der Abstammung der Häuser Solms und Nassau von den Saliern. Als erster Solmser Geschichts¬
schreiber erwähnt er Albrecht Otto Bilgens von Laubach, dessen Genealogie 1622 in Frankfurt heraus¬
kam. Philipp Reinhard von Solms (1593—1635) erscheint lediglich in der von der Linie Solms-Lich
abgespaltenen Linie Solms-Hohensolms, über seine bedeutende Rolle vgl. Karl Demandt, Geschichte
des Landes Hessen, S. 510. Höchstwahrscheinlich handelt es sich bei ihm um denjenigen, den Dors in
seinem Brief erwähnt; sein Tod im Sommer 1635 würde eine einleuchtende Erklärung dafür sein, daß
der Auftrag an Dors, eine genealogische Arbeit bzw. eine Stammtafel zu malen, zurückgenommen
wurde.
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