Gegenbeispiele, daß innerhalb eines mehrherrigen Dorfes kein Wechselrecht
bestand, sind aus dem saarländischen Raum nicht überliefert245, nur eine Bestim¬
mung aus Fremersdorf läßt vermuten, daß der Graf von Saarbrücken auf Grund
seiner schlechten Stellung in der Außenbesitzung246 versuchte, seinen leibeigenen
Untertanen das freie Verehelichungsrecht streitig zu machen, um so einen
geschlossenen Untertanenverband zu erhalten. Die Schöffen weisen jedoch, daß
die nassauischen und die lothringischen Untertanen das Recht zur Verehelichung
und zum Abzug haben, wenn sie die Verpflichtungen gegenüber der Herrschaft
erfüllt haben. Es ist in der Regel davon auszugehen, daß innerhalb eines Dorfes
oder Hofes auch bei mehreren Herren Wechselmöglichkeiten bestanden.
3.1.2.1.2. Zugrechte ohne räumliche Beschränkung
In neun saarländischen Weistümern247 gibt es eine Formel für das Recht des
freien Abzugs248, die sich auch im benachbarten lothringischen Raum häufig fin¬
det249 und überall den gleichen Wortlaut hat250. Item weisen die scheffen, wan ein
armer man oder huber auß ... Thettingen ziehen wolt und die hern seiner gult
wol bezalt hette, so soll der her von sanct Nabor mit seinem knecht demselbigen
wo er ime begegnet furthelffen... und ein pferd an den karch spannen und
soll der her mit einem fuß in dem stegrof stehn und mit dem andern das radt
helffen furtdrücken, das der arm man von landt komme. Das älteste Beispiel
ist das Weistum von Farschweiler von 1383, das jüngste das von St. Wendel
von 1596. Räumlich stammen die Belege aus dem gesamten Saarland, wenn auch
ein gewisses überwiegen von trierischen und lothringischen Quellen festzustellen
ist. Nur sind zehn Belege natürlich nicht für statistische Auswertungen zu ver¬
wenden. Auffallenderweise enthalten alle eine gewisse Einschränkung des Zug¬
rechtes: in Farschweiler das Verbot des heimlichen Aufbruchs und in Tettingen
die Verpflichtung, zuvor mit dem Herrn abzurechnen, über ausstehende Abgaben
und wohl auch Manumissionsgebühren. Bei den übrigen Belegen (aus dem 16.
Jahrhundert) wird sechsmal als Begründung für den Abzug angegeben, daß sich
der arme Mann nicht erhalten kann, auf solche Untertanen konnte man leicht
verzichten. Bezeichnend ist der Zusatz in Nalbach 1593: der Vogt soll dem armen
245 Vgl. aber Stahleder (wie Anm. 12) 546—547: in dem zweiherrigen Dorf Euerberg
wird festgelegt, daß die Güter beider Herren getrennt sind und nicht an Hinter¬
sassen der anderen Herrschaft verliehen werden dürfen. In Fechingen war dies
aber ohne weiteres möglich wie Fechingen I 10 zeigt (vgl. unten Kap. 4.1.); in
Nalbach 1593 werden die Einzelheiten des Zuges innerhalb eines vielherrigen Be¬
zirkes gewiesen: in dem Teil, in dem jemand zuerst Schaft und Zins ausgerichtet
hat, ist er sein Leben lang dazu verpflichtet. Da der neue Herr wohl kaum darauf
verzichtet hätte, Abgaben von neu zugezogenen zu erheben, bedeutete dies in der
Praxis, daß kaum ein Güterinhaber innerhalb des Hofes wechselte.
246 Vgl. unten Kap. 4. 7.
247 Farschweiler 1383, Tettingen 15. Jh., Außen 1559, Faha 1529, Michelbach 1514,
Nalbach 1514,1593, Reinsfeld 1546 und St. Wendel 1596.
248 Gersheim 1508 und Oermingen 1550, zwei Herbitzheimer Weistümer haben eben¬
falls diese Formel, gestattet ist aber nur der Zug innerhalb der Genossame.
249 Vgl. Karl Schwingel, Beiträge zur Wirtschafts- und Rechtsgeschichte im deutsch¬
sprachigen Lothringen des ausgehenden Mittelalters (Zeitschrift für die Geschichte
Saargegend 12/1962, 189—226) 205/206.
2:>0 Ern willkürlich herausgegriffenes Beispiel ist Tettingen 15. Jh.
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