Die ältesten Weistümer aus dem 14. Jahrhundert betreffen noch nicht die Bezie¬
hungen zwischen den geistlichen Grundherren und den Grafen, sondern vielmehr
die zwischen den Grafen und ihren Lehensträgern.
In St. Arnual wird schon durch die Überschrift der Quelle deutlich, daß es sich
um eine Weisung der gräflichen Rechte handelt, die trotz der Vergabe des Unter¬
lehens weiterhin ausgeübt werden sollten. Der Graf hatte sich die Hochgerichts¬
barkeit Vorbehalten, also die Kastenvogtei, während die Herren von Kirkel nur
Vögte ohne Hochgerichtsrechte waren. Sie mußten Verbrecher unverzüglich in
das gräfliche Schloß nach Saarbrücken überstellen. Daneben war der Graf der
Schirmherr, die Bewohner mußten an ihn die Schirmabgabe von zwei Pfennigen
pro Haus entrichten und waren zu ausgedehnten Burgwerkfronen und zur Reis¬
folge verpflichtet wie die Bürger von Saarbrücken. Ferner werden die Stiftsherren
als Bannherren bezeichnet und ihre Rechte in allgemeiner Form bestätigt. Es
handelt sich offensichtlich um eine von gräflicher Seite aus veranlaßte Weisung,
die nicht gegen die Stiftsherren, sondern vielmehr gegen die Untervögte gerichtet
war. Alle Bestimmungen wendeten sich gegen Rechtsansprüche der Herren von
Kirkel, die sie gegenüber den Untertanen mit Gewaltmaßnahmen durchgesetzt
hatten, mit burnen und rauben, wie es in der Quelle heißt. Das Weistum ist
nicht genau zu datieren, stammt aber aus der Spätzeit der Untervögte um die
Mitte des 14. Jahrhunderts.
In Neumünster wurde das älteste Weistum vermutlich auf einem Schlichtungstag
im Jahre 1321 zwischen dem Kloster und den Herren von Kirkel niedergeschrie¬
ben, der unter dem Vorsitz des Grafen stattfand. Hier ging es nicht um die
Hochgerichtsbarkeit, sondern um die Abwehr von Eingriffen in den Grundherr¬
schaftsbereich. Die Äbtissin hatte das Recht, allein in irren kameren die sieben
Schöffen zu bestellen, wobei sie dazu nyeman ruffen sollte, d. h., daß sie unbeein¬
flußt von den Vögten ihr Gericht einsetzen konnte, da diese weder an der
Auswahl noch an der Bestellung der Schöffen beteiligt waren. Auch der Meier
wurde von ihr allein ausgewählt und legte ihr den Amtseid ab. Erst danach
sollte der Meier den Herren von Kirkel seine Bestellung mitteilen und sie bitten,
ihn zu unterstützen, wenn er seine Aufgabe der Zinserhebung nicht erfüllen
konnte. Dafür zahlte die Äbtissin jährlich 15 Schilling Schirmgeld an die Herren
von Kirkel. Sie waren außerdem verpflichtet, der Grundherrin beizustehen, wenn
Meier oder Schöffen ihr nicht gehorsam waren. Außerdem waren sie Schirmer
des Klosters und der armen Leute und erhielten pro Haus ein Faß Hafer, ein
Huhn und einen Schilling Pfennig jährlich610. In Neumünster waren im Gegen¬
satz zu St. Arnual die Untervögte auch Schirmherren geworden.
Man kann aus beiden Quellen entnehmen, daß die Herren von Kirkel versucht
hatten, ihre Kompetenzen im Gerichtsbereich auszudehnen, also in Neumünster
610 Dies ist der Inhalt der Weistumsüberlieferung in StAK (LAS) 22/2768, 4—6; bei
Zewe folgt noch ein Stück hofrechtlichen Inhalts, das dem Inhalt anderer Kloster-
weistümer ähnelt. Die Vorlage konnte ich nicht finden. Es ist aus inhaltlichen
Gründen anzunehmen, daß die von mir benutzte Überlieferung das Ergebnis der
Weisung auf dem Schlichtungstag war, während der Rest wohl eine spätere Nie¬
derschrift des Hofrechtes ist, der mit der Vogteifrage nicht in Zusammenhang
steht.
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