4. Beispiele für das Fortleben und Fortwirken von
Weistumsrecht bis zum Ende des alten Reiches
Im letzten Kapitel konnte gezeigt werden, daß der Zeitpunkt der Entstehung
und die Bestimmungen der Weistümer abhängig waren von den Interessen der
jeweils betroffenen Parteien.
Die Weistümer wirkten jedoch nicht nur in ihrer Entstehungszeit, sondern beein¬
flußten auch die Rechtslage in späteren Zeiten. Einerseits hat sich Weistums¬
recht bei neuen späteren Weisungen u. U. stark verändert — es interessiert daher,
auf wessen Veranlassung oder Druck hin sich die Wandlungen vollzogen. Das
soll aufgezeigt werden anhand der starken Veränderungen eines Dorfweistums
im 15./16. Jahrhundert, anhand der Weistumsgruppe eines geistlichen Grund¬
herren, die sich ebenfalls unter äußerem Druck veränderte, am Beispiel der
St. Arnualer und Neumünsterer Grund- und Vogteiweistümer, die eine Rolle
beim Ausbau der Landeshoheit über beide geistliche Gemeinschaften spielten,
und am Beispiel der Weistümer von Ottweiler, die sich im 16. Jahrhundert in
Landrecht verwandelten.
Andererseits wirkte einmal schriftlich niedergelegtes Weistumsrecht auch nach
dem Ende der Weisungszeit weiter. Das soll gezeigt werden am Beispiel des
Klosters Tholey, weiter anhand der Waldnutzungsbestimmungen in Saarbrücker
Weistümern, bei denen sich teilweise langes Nachleben feststellen läßt, während
andere Bestimmungen kein gültiges Recht mehr waren, und schließlich am Bei¬
spiel der Streitigkeiten zwischen Lothringen und Nassau-Saarbrücken, wobei
beide Seiten alte Weistümer als Beweismittel verwendeten.
4.1. Veränderungen eines Dorfweistums
Bei der Quellendichte im saarländischen Raum ist es keineswegs eine Seltenheit,
daß aus einem Ort oder Bezirk mehrere Weistümer überliefert sind. Meistens
sind sie jedoch innerhalb relativ kurzer Zeit entstanden und behandeln dann
immer wieder ähnliche Fragen, die besonders umstritten waren und daher häufig
gewiesen wurden543.
So stellen die fünf Weistümer von Fechingen544 ein einzigartiges Beispiel für
die Veränderungen eines Dorfweistums zwischen 1450 und dem Ende des 16.
543 Vgl. das Register.
544 Das älteste Weistum ist herrlichkeit jedes herrn (= Fechingen I) entstanden
zwischen 1451 und 1462: auf Grund der Erwähnung der kinde von der Ecken, d. h.
der Erben Adams von der Ecken, der 1451 aus den Urkunden verschwindet, sein
Todesjahr ist nicht bekannt, vgl. Kurt Hoppstädter, Die Burgmannenhäuser der
Burg Saarbrücken und ihre Besitzer (Zeitschrift für die Geschichte der Saargegend
19/1971, 147—172) 164; vor 1462 muß das Stück datiert werden, da damals die
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