Manche Gemeinden waren nur verpflichtet — und berechtigt —, einen Verbrecher
innerhalb ihres Bezirkes oder Etters festzunehmen, und übergaben ihn dann an
der Grenze oder auf der Straße einem Herrenvertreter. In anderen Weistümern
ist jedoch die Verpflichtung der Hofleute festgelegt, einen Täter den Herren zu
überbringen, wobei es im Interesse der Untertanen lag, daß sie ihn oft nur im
nächsten Haus abliefern mußten. Das war insbesondere in vielherrigen Orten
wichtig, wo der erstrangige Herr unter Umständen sehr weit entfernt sein nächstes
Haus hatte, während ein kleiner Adeliger im Bezirk ansässig war. Ein Beispiel
sind die Eidenborner Weistümer, wonach der Verbrecher nicht etwa bis Saar¬
brücken gebracht werden mußte, sondern vielmehr den im Hof wohnenden
Herren von Motten übergeben wurde. Die Untertanen berührte dann das weitere
Verfahren nicht mehr. Dagegen waren die Bewohner des Köllertales, das nur
wenig näher an Saarbrücken liegt, verpflichtet, einen Verbrecher dem Grafen ins
Saarbrücker Schloß zu überstellen, weil hier Grundherrschaft und Hochgerichts¬
barkeit in seiner Hand vereinigt waren.
Altertümlich wirken die Weisungen in einigen Quellen, wonach die Gemeinde
bei Nichtabholung eines Verbrechers berechtigt ist, ihn ungebunden an eine
festgelegte Stelle zu bringen und laufen zu lassen, wenn die Herren ihrer Ver¬
pflichtung nicht nachkommen470. Der sehr reale Hintergrund war jedoch, daß die
Gemeinde nicht verpflichtet war, längere Zeit für Bewachung und Unterhalt
eines festgenommenen Verbrechers aufzukommen. Wenn die Herrschaft ihren
Aufgaben nicht oder nur verspätet nachkam, schuldeten die Hofleute keine
weiteren Dienste.
Eine weitere Verpflichtung der Gemeinde beim Hochgerichtsverfahren war die
Teilnahme an der Hinrichtung, obwohl offensichtlich hier die Bewohner häufiger
Widerstand leisteten und den Dienst verweigerten471, insbesondere wenn der Ver¬
brecher nicht im Bezirk verurteilt wurde. Oft wird der genaue Standort des
Galgens genannt. Die Herrschaft war verpflichtet, einen Verbrecher nach been¬
digter Untersuchung wieder in den Bezirk zurückbringen zu lassen und hier
das abschließende Verfahren mit Stabbrechen und Hinrichtung durchzuführen.
Wenn das auch in vielen Fällen die einzige Möglichkeit war, um zwischen
mehreren Herren einen Konsens über die Abgrenzung der Hochgerichtsbarkeit
zu erlangen, so zeigt sich doch hier noch eine Mitwirkung der Gemeinde und
insbesondere der Dorfschöffen am Hochgerichtsverfahren, was für die damalige
Zeit erstaunlich ist. Allerdings waren die Weisungen veraltet und stehen eben
nur noch wegen der Kompetenzenabgrenzung zwischen den Herren im Hofrecht.
Ein Indiz dafür ist, daß in einigen Weistümern die Schöffen auf besonders
drängendes Fragen schließlich den Standort der alten Richtstätte nennen, aber
brecher aus Homburg nach St. Nabor bringen und ihn dort dem Vertreter des
Grafen von Saarbrücken übergeben), St. Wendel 1596 (durch die Gemeinde), Völk¬
lingen 1422 (durch den Inhaber einer freien Hofstatt, gebietet dieser anderen Hof¬
leuten, ihm zu helfen, muß er sie dafür entlohnen), Walsheim 1587 (durch die
Gemeinde).
470 Heisterberg 1510, 1609, Schaumburg 1535 in Bezug auf den Hof Katharinenostern,
d. h. Oberkirchen; eine Anspielung findet sich auch im Weistum von Harlingen
vor 1559.
471 z. B. die Bewohner des Dorfes St. Arnual und die von Ormesheim.
147