siedeln, ändert sich meist die Entfernung von der Wohnstelle zu den bewirt¬
schafteten Feldern. Verschiedene Flurteile der alten Siedlung, die recht gut
erreichbar waren, werden nun in die Rolle von Randbezirken gedrängt, was
zwangsläufig Veränderungen in der Bewirtschaftung zur Folge hat. Ent¬
weder wird man diese Nutzflächen nur noch extensiv oder gar nicht mehr
bearbeiten95.
Eingemeindungen dürfen nicht als Wüstungsvorgänge betrachtet werden.
Zwar geben die Siedlungen ihre Eigenständigkeit, aber nicht ihre Struktur
und meist auch nicht ein gewisses Eigenleben auf, so daß von einer Wüstung
nicht die Rede sein kann, zumal ja in der Regel kein Verlassen und keine
Verlegung oder irgendwelche Abnahme der Bevölkerung damit verbunden
sind.
Verlieren oder legen Siedlungen ihren alten Namen ab und nehmen dafür
einen neuen an, (vgl. Merkingen = St. Arnual und Lendelfingen = St. Ing¬
bert) ohne daß Veränderungen in Struktur und Siedlungsbild eintreten, so
wird dies nicht immer sofort aus den Quellen ersichtlich. In diesem Fall
sprechen wir von „Scheinwüstungen". Namensänderungen oder Namens¬
übertragungen bedeuten noch lange nicht einen Bruch in der Kontinuität
der betreffenden Objekte. Beim Verschwinden des alten Namens aus den
Quellen müßte man zunächst auch annehmen, daß die Siedlung selbst eben¬
falls verschwindet, zumal wenn erst nach einiger Zeit ein neuer Name für
die Siedlung genannt wird. Auch kann in den Quellen ein Siedlungsplan
auftauchen, der als geplantes Vorhaben nicht gekennzeichnet wird, und der
in der Folgezeit nicht verwirklicht wird.
Man wird Klöster und Abteien nur dann in die Wüstungsverzeichnisse
aufnehmen dürfen, wenn sie unabhängige Siedlungsorganismen darstellten
(wie z. B. Kloster Werschweiler) oder aber zumindest das bestimmende
Element oder den hervorragenden Mittelpunkt (also den qualitativ und
quantitativ überlegenen Teil) eines Dorfes ausmachten (wie z. B. die Abtei
Fraulautern). So muß auch das Wüstfallen für den gesamten Siedlungs¬
körper eine echte Rezession bedeuten. Keinesfalls sind Institutionen und
Baulichkeiten, die fest in das Siedlungsbild und -gefüge integriert sind, zu
behandeln, da sie eben nur einen Teil eines viel wichtigeren größeren
Gesamtkomplexes bilden (z. B. die Niederlassung des Deutschherrenordens
in Saarbrücken). Die Ursachen für das Wüstwerden gehen meist auch auf
äußere politische Einwirkungen zurück. Die gewaltsame Vertreibung von
Klosterinsassen wurde durch die Reformation bewirkt. So wurden 1557 das
Zisterzienserkloster Werschweiler und das Benediktinerkloster Hornbach
säkularisiert. 1614 brannten zu Werschweiler die Gebäude nieder. Das
Chorherrenstift St. Arnual wurde 1569 aufgehoben. Das Benediktinerinnen-
kloster Neumünster wurde im Jahre 1575 aufgelöst. In der französischen
Revolution wurden das Benediktinerkloster Mettlach, das Augustinerinnen-
95 H. Fischer, Die Siedlungsverlegung im Zeitalter der Stadtbildung, Wien
1952 (= Wiener Rechtsgeschichtliche Arbeiten, Bd. I).
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