Full text: Grundlegung der Ethik als Wissenschaft

also menschlisches Bewußtsein in jedem Wollen seine eigene 
Glückseligkeit zum Zweck habe, in Widerspruch und hebt sie 
demzufolge schlechtweg auf, so daß die Klugheitethik keinen 
Anspruch mehr darauf machen kann, Ethik als Wissenschaft 
zu sein. Ihr Glückseligkeitwollen ist nicht das menschliche 
Wollen überhaupt, sondern ein besonderes Wollen neben dem 
selbstlosen Wollen; die Frage nach dem Sittlichen konnte bei 
jener Voraussetzung für den Versuch einer Ethik als Wissen¬ 
schaft, die wir „Klugheitethik“ nennen, nicht an Glückselig¬ 
keitwollen selbst irgend gestellt werden, weil das Sittliche ein 
besonderes Wollen betrifft, und daher das Glückseligkeit wollen 
der Klugheitethik nicht selbst sittliches Wollen zu nennen ist, 
denn sie kennt ja kein von Glückseligkeitwollen unterschiedenes 
Wollen. Ist aber Glückseligkeitwollen als ein besonderes vor 
selbstlosem Wollen erkannt, so wird, wenn wir vom Sittlichen 
handeln, an dieses Wollen, wie an das selbstlose Wollen die 
Frage kommen, um zu entscheiden, ob diesem oder jenem die 
Bestimmung „sittlich“ zukomme. Auf alle Fälle aber ist damit 
die Klugheitethik als Wissenschaft abgewiesen. 
Außer der Klugheitethik und Pflichtethik nun finden wir 
in der Geschichte noch einen dritten Versuch einer Ethik als 
Wissenschaft, der eben an die Unterscheidung „Glückseligkeit¬ 
wollen — selbstloses Wollen“ anknüpft und das selbstlose 
Wollen als das sittliche anspricht. Wenn zur Feststellung des 
Sittlichen, das ja immer auf jegliches menschliche Bewußtsein 
mit seinen Bestimmungen zielt, in der Tat nur die Wahl 
zwischen Glückseligkeitwollen und selbstlosem Wollen bleibt, 
so kann es von vornherein keinem Zweifel unterliegen, daß 
für das Sittliche das Glückseligkeitwollen schlechtweg aus¬ 
scheidet und nicht in Betracht kommt. 
Der Gegensatz „Glückseligkeitwollen — selbstloses Wollen- 
ist freilich so alt, wie menschliches Bewußtsein überhaupt, aber 
die klare Herausstellung dieses Gegensatzes, insbesondere die 
Feststellung des selbstlosen, als eines besonderen Wollens war 
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