das als Mittel Gewollte für sich dem pflichtigen Bewußtsein
im Lichte der Unlust steht und somit gezwungen Gewolltes
ist. Also nicht allein beim „Sollen“, sondern auch beim „Müssen“,
nicht nur beim „Gebot“, sondern auch beim „Gesetz“ ist Zwangs¬
wollen anzutreffen.
Allerdings finden wir in der Lebenseinheit „Gesellschaft“
gar häufig auch ein Pflicht wollen, das freies Wollen, nicht
Zwangswollen ist, daß ein als Mittel Gewolltes dem pflichtigen
Bewußtsein im Lichte der Lust steht („Neigung“), wie denn
überhaupt das Pflichtwollen in der Lebenseinheit, die eine
„Gemeinschaft“ bedeutet, sogar ausnahmslos freies d. i.
ungezwungenes Wollen ist. Daraus geht freilich hervor, daß
Pflicht wollen als solches selbst gar nichts mit „Neigung“
zu tun hat, weder ihrer bedarf, noch durch sie aufgehoben wird.
Meinte Kant dies, wenn er Neigung und Pflicht streng aus¬
einanderhielt, so könnten wir zustimmen, nicht aber wenn
er Neigung und Pflicht als für das sittliche Bewußtsein schlecht¬
hin unvereinbar wissen will.
All den Besonderungen der Pflichtethik nun, die uns in der
Geschichte entgegen treten, fehlt es irgendwie an Wirklich¬
keitsboden, ohne den nun einmal Ethik als Wissenschaft nicht
bestehen kann. Denn der Ansatz- und Ausgangspunkt der Ethik
als Wissenschaft muß eben in der Wirklichkeit sich finden
und als Wirkliches schlechthin feststehen: alle Pflichtethik
aber, die wir kennen, schwebt mit ihrem Ansatz in der Luft
des Möglichen; tritt sie als Gebotethik auf, so liegt der Ge¬
bieter „Gott“, tritt sie als Gesetzethik auf, so liegt die Lebens¬
einheit „aller menschlichen Bewußtseinswesen“ nur im Gebiete
des Möglichen; die Wissenschaft eben kennt kein Bewußtseins¬
wesen als Wirkliches, das allem menschlichen Bewußtsein
Gebieter wäre, und sie kennt ebenfalls keine Lebenseinheit als
Wirkliches, deren Mitglieder oder Glieder alle menschlichen
Bewußtseinswesen wären. Ein pflichtiges Wollen als sittliches
d. i. allen menschlichen Bewußtseinswesen gleicherweise und
6 Rchmke, Grundlegung der Ethik als Wissenschaft.
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