auch darin sich kundgibt, daß Kant als die notwendige Folge
der Pflichterfüllung (GlückWürdigkeit) die Glückseligkeit kennt.
Wenn wir nun Kant in seiner Pflichtethik des Sollens
oder des Gebotes nicht folgen und in ihr eine Ethik als Wissen¬
schaft nicht sehen können, so hat er noch ein zweites Eisen
im Feuer, um aus ihm eine Pflichtethik des Müssens oder
des Gesetzes zu schmieden. Wir wissen ja, daß von Pflicht nicht
nur zu reden ist in Herrschaftseinheit, sondern auch in jeder
Lebenseinheit, die freilich nicht Gebot, sondern vielmehr Ge¬
setz, nicht Sollen, sondern Müssen für ihre Mitglieder oder Glie¬
der kennt. Aber auch dieser Versuch einer Ethik als Wissen¬
schaft leidet an einem unaufhebbaren Mangel, sofern wir an¬
nehmen dürfen, daß „Gesetz“ allemal eine Lebenseinheit
von Bewußtseinswesen voraussetzt. Denn die von der Pflicht¬
ethik des Müssens oder des Gesetzes vorausgesetzte Lebens¬
einheit aller menschlichen Bewußtseinswesen überhaupt
findet sich nicht in der Wirklichkeit, so daß diese Pflicht¬
ethik im selben Spital krank liegt, wie die Religionsethik, und
die gedachte Lebenseinheit als Wirkliches voraussetzt, ohne
doch deren Wirklichkeit feststellen zu können. Kant selbst aber
setzt hier für seine Pflichtethik des Gesetzes gar nicht eine
solche Lebenseinheit aller menschlichen Bewußtseins wesen
voraus, sondern er sucht die Wurzel des Gesetzes sittlichen
Wollens, statt überhaupt in einer Lebenseinheit, in der mensch¬
lichen Vernunft; sittliches Wollen ist ihm eben reines Vernunft-
wollen, dem Gesetze der reinen Vernunft gemäß wollen.
Aber Kant sieht nicht, daß er damit nicht nur das Sollen, son¬
dern überhaupt alles, was Pflicht heißt, hinter sich gelassen hat,
indem ja doch das als reine Vernunft Wollende nichts von Ein¬
heit, sei es Herrschaft, sei es Gesellschaft oder Gemeinschaft,
voraussetzt, daher auch Pflicht, die ja nur in dem, was eine
Einheit von Bewußtseinswesen darstellt, sich finden kann, für
das als reine Vernunft Wollendes nicht in Frage kommen würde.
Somit hätte Kant die Pflichtethik auch schon dahinten gelassen,
61