wollen“ sagen ein und dasselbe, „wollendes Bewußtsein, das
selbst nicht zum Wirklichen gehört“, ist demnach ein Wider¬
spruch in sich. 1 Kommt also, wann immer von Sittlichem
die Rede geht, Wirkliches in Frage, so wird die Ethik als
Wissenschaft sicheren Grund nur haben, wenn die Wirk¬
lichkeit der in Betracht kommenden Bewußtseinswesen außer
Frage steht. Handelt es sich nun in einer „Ethik“ nur um
menschliches Bewußtsein, so ist dieses in der Tat der Fall, da
wir uns unserer Wirklichkeit als wollender Bewußtseinswesen
klar bewußt sind.
Nicht so gut daran ist die Religionsethik, die nicht nur
menschliches Bewußtsein, sondern aueh göttliches Bewußt¬
sein voraussetzt; dieses letzte eben steht uns nicht ohne weiteres,
wie das erste, als Wirkliches da. Solange nun die Wirklich¬
keit des göttlichen Bewußtseins nicht fraglos klargestellt ist,
müssen wir demgemäß Religionsethik oder, wie es gewöhnlich
heißt, „theologische Ethik“ als Wissenschaft vom Sittlichen
in Frage stellen. Alle Versuche, die Wirklichkeit Gottes zu
beweisen oder zu erweisen, sind bisher vergeblich gewesen,
nicht minder freilich auch alle Versuche, nachzuweisen, daß
das Wesen, das wir Gott nennen und als Gegebenes schlecht¬
weg „haben“, (wie könnte uns sonst das Lautgebilde „Gott“ ein
Wort d. i. ein sinnvolles Lautgebilde sein), nicht Wirkliches
sei. Möglichkeit steht hier gegen Möglichkeit und solange
keine Entscheidung in dieser Streitfrage gewonnen ist, bleibt
auch, was wir „Religionsethik“ nennen, als solche außerhalb
der Wissenschaft stehen. Denn eine sogenannte „Wissenschaft“
vom Sittlichen, die auf Mögliches aufgebant wäre, würde in
die Luft gebaut sein. Wir verstehen das Bemühen wohl, der
Wirklichkeit Gottes, wenn sie nicht zu beweisen ist, anderswie
gerecht zu werden, indem man von einer unmittelbaren „Ge¬
wißheit“ in Betreff der Gotteswirklichkeit spricht, wie wir
der Wirklichkeit unserer selbst als wollender Bewußtseins wesen
1 Siehe Rehmke „Die Willensfreiheit“, S. 31 ff.
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