Full text: Grundlegung der Ethik als Wissenschaft

dasjenige Wollen aus Liebe2, das auf das Wesen des geliebten 
Bewußtseins als solches zielt. 
Auch den Vorschlag, das Wort „sittlich“ nicht einem von 
beiden Wollen aus Liebe2 zuzuerkennen, sondern beide als „sitt¬ 
liches Wollen“ zu bezeichnen, also „sittliches Wollen“ dem Wol¬ 
len aus Liebe2 schlechtweg gleichzusetzen, können wir nicht 
billigen, weil die Verschiedenheit des Wollens aus Liebe2 nicht 
auf verschiedene Besonderheit des in Frage kommenden Ge¬ 
liebten2, nicht auf verschiedene zuständliche Bestimmtheit dieses 
Bewußtseins geht, sondern sich eine Bestimmtheit zuständ- 
lichen Bewußtseins (Unlust) und das Wesen des Geliebten2 
gegenüberstehen. 
Wie wir auch diese Frage erwägen mögen, es stellt sich immer 
heraus, daß die Uneingeschränktheit, die dem Wollen, das wir 
„sittlich" nennen, für menschliches Bewußtsein überhaupt 
zukommen muß, nur bei demjenigen Wollen aus Liebe2 zu 
finden ist, das auf Wesenveränderung des anderen Be¬ 
wußtseins geht. 
g) 
Indem wir uns somit in der Frage „was ist sittlich?“ nun¬ 
mehr einzig und allein auf das Wollen aus Liebe2, das den be¬ 
sonderen Zweck „WesensVeränderung des anderen Bewußtseins“ 
aufzuweisen hat, hingewiesen sehen, betonen wir zugleich, daß 
uns in der Bestimmung dieses besonderen Wollens aus Liebe2 
als des sittlichen Wollens nicht ein Werturteil gegenüber 
dem Mitleids wollen, wie überhaupt kein Werturteil enthalten 
ist, sondern nur zum Ausdruck kommt, daß das fragliche Wollen 
aus Liebe2 gegenüber dem durch Mitleid veranlaßten und auf 
Veränderung in der zuständlichen Bestimmtheit (von Un¬ 
lust zu Lust) des anderen Bewußtseins zielenden Wollens aus 
Liebe2 eine Wesens Veränderung des anderen Bewußtseins zum 
besonderen Zweck habe. 
Mit dieser Bestimmung des „sittlichen“ Wollens ist allerdings 
die Frage „was ist sittlich?" noch keineswegs restlos beantwortet; 
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