Christentum die Uebe als das für das Sittliche Bedeutsame und
Grundlegende auf Prüfung hin zu entnehmen.
Wir haben nun klargestellt, was Liebe2 bedeutet, und daß
in allen Fällen das Liebende ein Geist, ein Bewußtsein ist,
Liebe1 aber das Wissen von einem Lustbringenden, Liebe2
das Sichselbsteinswissen mit anderem Geiste bedeutet. Durch
die Feststellung ferner des ,,selbstlosen Wollens“ als eines
Wollens aus Liebe2 haben wir einen sichereren Halt, als uns
das Wort „selbstlos“ für dieses besondere Wollen gibt, gefunden.
Denn „selbstlos“ sagt uns nur von einem Wollen, daß die im
Lichte der Lust stehende Veränderung (der besondere Zweck)
nicht eine Veränderung des Wollenden selbst ausmacht. Mit
solcher verneinenden Bestimmung eines W'ollens ist dieses aber
nocht nicht sicher erfaßt, was man daraus ersieht, daß das Wort
„sittliches Wollen ist selbstloses Wollen“, die Deutung zuläßt,
das alles Wollen, dessen besonderer Zweck nicht eine Ver¬
änderung des Wollenden selbst bedeutet, sittliches Wollen
sei: nach dieser Deutung würde auch vieles Pflichtwollen sitt¬
liches Wollen sein.
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Wir haben aber dargelegt, daß, wenn sittliches Wollen
selbstloses und das heißt „Wollen aus Liebe2“ bedeutet, dieses
Wollen immer mindestens zwei Bewußtseinswesen voraus¬
setzt, das Liebende2 und das Geliebte2. Sicherlich gibt es in
einer Lebenseinheit Pflichten gegen sich selbst, niemals
aber im Sittlichen eine Selbstliebe2, und dies nicht nur, weil
sittliches Wollen selbstloses Wollen bedeutet, sondern vor
allem, weil kein Bewußtsein mit sich selbst eins sein und
sich mit sich selbst eins wissen kann. Selbstliebe gibt es also
nicht als Selbstliebe2, wohl aber, und auch nur allein, als
Selbstliebe1, als sogenannte Eigenliebe, in der es sich aller¬
dings mit sich selbst eines, nicht jedoch mit sich selbst
eins weiß. Angesichts der Selbstliebe, die nur als Liebe1 be¬
stehen und verstanden werden kann, zeigt sich auch wiederum
8 Rehmke, Grundlegung der Ethik als IViss* näcbafi
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