denn es leuchtet ohne weiteres ein, daß im „Sicheinswissen“
nicht irgendein Gefühl mit zum Ausdruck kommt als diesem
zugehörig. Jedoch auch Zusammengehörigkeit eines
bestimmten Gefühls (entweder Lust oder Unlust) mit dem
Sicheins wissen für den Sich eins wissenden wird durch die Tat¬
sachen Lügen gestraft; denn der Sicheins wissende — das sagt
uns die eigene Erfahrung genugsam — hat in dem betreffen¬
den Augenblicke das eine Mal Lust, das andere Mal Unlust.
Und wenn man sich auch darauf zurückzöge, daß stets mit dem
Sicheinswissen doch irgendein Gefühl verknüpft sei, so könnte
dies doch niemals ausreichen, um die Behauptung, die Liebe2
selbst sei ein Gefühl, auch nur irgendwie zu sichern.
So mag es immerhin Wunder nehmen, daß die Liebe als ein
„Gefühl“ überall und anstandslos umgeht. Vielleicht läßt sich
dies darauf zurückführen, daß die Übung weitverbreitet ist, „Füh¬
len“ im Sinne eines „Wissens“ zu verwenden und man somit
statt „Sicheinswissen“ eben „Sicheinsfühlen“ sagt. Diese
Vermutung liegt in unserem Falle um so näher, als dann unter
„Fühlen“ ein nicht vermitteltes unmittelbares Wissen, wie man
es vom Selbstbewußtsein überhaupt auszusagen pflegt, verstanden
wird und das „Sicheinswissen" offenbar ein Selbstbewußtsein
bedeutet. Wer diesen Sinn des Wortes „Fühlen“ im Auge hat,
wenn er vom „Gefühl der Liebe" spricht, wird sich wohl auf
die alte Bedeutung von „Fühlen“ als Tasten, Berühren etwa
noch berufen. Ohne uns weiter in die Überlegung, ob es
zweckdienlich sei, dem Worte „Fühlen“ neben dem üblichen
psychologischen Sinn noch diesen besonderen Wissens sinn
überhaupt zu behalten, wird unsere Behauptung, die Liebe sei
kein Gefühl (Lust oder Unlust) durch eine Behauptung, „lieben“
sei ein besonderes W i s s e n, nicht nur nicht erschüttert, sondern
sogar noch gestärkt.
Es wäre allerdings wünschenswert, daß wenigstens im wissen¬
schaftlichen Sprachgebrauch die Worte „wissen“ und „fühlen“
streng auseinandergehalten würden, so daß mit „fühlen“ nicht
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