werden kann. Darin tritt denn auch schon der Unterschied
zwischen „sittlich“' und „der Sitte gemäß“ hervor, denn wenn
sie auch beide auf vom Bewußtsein Gewirktes, auf Handlungen
gehen, das Sittliche doch nur die Willenshandlungen, das der
Sitte Gemäße auch die Triebhandlungen menschlichen Bewußt¬
seins hereinnimmt. Für die Fragestellung nach dem Sittlichen ist
es schon nicht gleichgültig, ob Willenshandlung und Triebhand-
lung gleichsam für Geschwister angesehen werden, wie wir es
bei Schopenhauer und ganz besonders bei W. Wundt finden,
oder ob erkannt wird, daß sie nicht von demselben Stamme
sind, da „Trieb“ ein Gefühl als „treibendes“ d. i. wirkendes,
also eine Bewußtseinsbestimmtheit, Wille aber das Bewußtsein
selbst in besonderem Augenblicke bedeutet.
Um das Wollen allein aber handelt es sich in der Ethik als
Wissenschaft vom Sittlichen. Das Wollen jedoch zeigt sich uns
noch von zwei verschiedenen Seiten, nämlich als „Wirkenwollen"
und als „Sichdurchsetzenwollen“, jenes zeichnet das wollende
Bewußtsein in seiner Beziehung zur „Wirkung“ als dem Ge¬
wollten, dieses dagegen das wollende Bewußtsein in seinem
Selbstbewußtsein. Um diese Seite des Wollens geht es in der
Ethik, um das „Sichdurchsetzenwollen“; nicht das Gewollte,
sondern das Wollende gibt dem Worte „sittlich“ seinen Sinn.
Jedes Wollen ist, wie „Wirkenwollen“, so auch „Sichdurch¬
setzenwollen“, aber ebensowenig wie „Wirken“ im Worte „Wir¬
kenwollen“, bedeutet „Sichdurchsetzen“ im Worte „Sichdurch¬
setzenwollen“ den Zweck des Wollens, also das Gewollte.
Wenn es wahr ist, daß der Zweck jedes besonderen Wollens
eine im Lichte der Lust stehende Veränderung ist, so läßt
sich schon deshalb weder das Wirken noch das Sichdurchsetzen
als Zweck des Wollens begreifen, da beides nicht als eine Ver¬
änderung behauptet werden kann.
In der Bestimmung des WTollens als „Sichdurchsetzenwollen“
liegt aber auch deutlich der Hinweis auf das Selbstbewußtsein,
das Sich selbst wissen des wollenden Bewußtseins; das Wollen
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