Full text: Grundlegung der Ethik als Wissenschaft

das eigene Lust Wollen bei jedem Wollen betonen, wenn es uns 
auch nicht nur, wie den Klugheitethikern, allein für den Reihen¬ 
zweck, sondern auch für den einfachen Zweck gilt. Die Klug- 
heitethiker kennen ja auch tatsächlich kein Wollen mit ein¬ 
fachem Zweck, der also nicht eine zeitliche Reihe von Ver¬ 
änderungen darstellt, denn dies müßte eben nach ihnen ein 
reines „eigene Lust Wollen“ sein, was aber kein menschliches 
Bewußtsein kennt. Die Klugheitethik krankt eben an dem 
Fehlgriff, daß sie, was als Gewolltes d. h. als vorgestellte be¬ 
sondere Veränderungen ineinander verflochten ist, auseinan¬ 
der reißt, die Veränderung „von eigener Unlust zu eigener 
Lust“ und die „im Lichte der Lust stehende Veränderung4", 
und somit, wenn sie der Tatsache, daß ein „bloßes Lust¬ 
wollen“ sich nicht findet, die Ehre gibt, erklären muß, daß 
jegliches Wollen einen Reihenzweck biete, also das Wollen, 
dessen Zweck nicht eine zeitliche Reihe von Veränderungen 
vorstelle, schlechthin zu leugnen sei. Nun aber weiß jeder 
solche Willensfälle, deren Gewolltes nicht eine zeitliche Reihe 
von Veränderungen darstellt, also nicht Reihenzweck, sondern 
einfacher Zweck ist; dem Klugheitethiker geht es eben, wie dem 
Glockengießer zu Breslau, „er sieht’s und will’s nicht sehn“. So 
konnte es denn geschehen, daß er das schlechthin ineinander 
Verflochtene auseinanderriß und bei der Behauptung landete: 
„was immer das menschliche Bewußtsein außer der eigenen 
Lust (Glückseligkeit) sonst noch will, das will es um der eigenen 
Lust willen“, und er wurde sich darüber nicht klar, daß mensch¬ 
liches Bewußtsein das, um dessentwillen es anderes will, 
selbst schon für sich gewollt, als einfachen Zweck gehabt 
haben muß. Da nun aber die eigene Lust niemals einfacher 
Zweck eines wollenden Bewußtseins ist, so ist das Wort „um 
der eigenen Lust d. i. um der Glückseligkeit willen etwas wollen", 
zu den sinnleeren zu stellen, und die Klugheitethik ist auch 
hiermit als Wissenschaft gerichtet. 
Daran aber halten wir fest, daß jedes Wollen mensch- 
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