Full text: Die nationalsozialistische Herrschaftsübernahme an der Saar

VLR Voigt10 11. Die Konsequenzen, die Voigt aus dem Verhandlungsabbruch von 
1930 zog, machen seine Stellungnahme zum Gesamtrückblick. Wesentlich schien 
Voigt, vor neuen Verhandlungen die Grundlinien mit den Franzosen einerseits 
und den Saarvertretern andererseits festzulegen, um Überraschungen zu vermei¬ 
den. Seine Erörterung einer vorzeitigen Saarregelung beruhte auf zwei Über¬ 
legungen. Einmal hielt er die nationale Erregung durch die Abstimmung für eine 
Belastung der deutsch-französischen Beziehungen. Zum andern sah er die Mög¬ 
lichkeit, der zunehmenden Sonderstellung des Saargebiets und seiner Vertreter 
noch vor 1935 ein Ende zu machen. Auch die innere Lage Deutschland wirkte 
sich seiner Meinung nach negativ auf die Saarbevölkerung aus11. Sachlich stand 
Voigts Verhandlungsprogramm auf der Grundlage der 1929/30 geplanten Zuge¬ 
ständnisse und deutete, allerdings mit politischen Bedenken, eine auf 5 bis 10 
Jahre begrenzte französische Beteiligung an einem rein deutschen Staatsgruben¬ 
betrieb an. Letzteres wich zwar von der Haltung Preußens und einiger Saar¬ 
vertreter ab, stimmte jedoch inhaltlich in etwa mit Röchlings „Leitsätzen“12 
überein. 
Von Papen griff Voigts immerhin sehr vorsichtige Andeutung einer französischen 
Grubenbeteiligung in einem unverbindlichen Gespräch mit dem Leiter der Europa- 
Abteilung im Quai d’Orsay, de Laboulaye, auf13. Das Gespräch stand unter dem 
Aspekt der deutsch-französischen Beziehungen, und von Papen ging entgegen der 
vom Auswärtigen Amt angeratenen Taktik als erster auf die Saarfrage ein. Die 
deutsche Aufzeichnung zeigt, daß de Laboulaye territoriale Erwerbungen Frank¬ 
reichs und die Abhaltung der Abstimmung ablehnte, aber die französischen Wirt¬ 
schaftsinteressen, insbesondere den saarländischen Absatzmarkt, gesichert wissen 
wollte. Hier deutete von Papen Zugeständnisse an und ging mit dem Vorschlag 
gemischter deutsch-französischer Grubengesellschaften14 weit über die bisherige 
deutsche Haltung hinaus. Auswirkungen hatte diese Unterredung von Papens 
nicht. Auch der Botschafter in Paris, von Hoesch, riet wegen der Erfahrungen der 
Verhandlungen von 1929/30 zum ruhigen Abwarten und zu neuen Gesprächen 
frühestens 1933, möglicherweise erst 1934, um die Abstimmung zu vermeiden. 
10 Aufzeichnung Voigts v. Ende April 1932: BA R 431/252, Bl. 98—117 und AA. . . 
betr. Rückgliederung, Bd. 11. Dieses Gutachten ist der einzige Hinweis auf mög¬ 
liche Rückgliederungsinitiativen Brünings. Es lag von Papen am 4. Juni vor. 
11 Vgl. auch Mitteilung des Preuß. Saarvertrauensmannes im Verm. Voigts v. 13.8.32: 
AA .. . betr. Polit.Angelegenheiten. Allgem., Bd. 43. 
12 Vgl. Anm. 9. Direkter Einfluß Röchlings ist nicht nachzuweisen, aber bei dessen An¬ 
sehen im Auswärtigen Amt sehr gut möglich, da nur er einen solchen Vorschlag 
gemacht hatte. 
13 Aufzeichnung v. Papens v. 1.7.32: AA ... betr. Rückgliederung, Bd. 11. Die entspre¬ 
chende Aufzeichnung de Laboulayes s. in: Documents Diplomatiques Français 1932 — 
1939 (künftig: DDF), Première Série, Tome 1, Nr. 46 Annexe IV, S. 74. Hoff¬ 
mann, Das Ziel war Europa, S. 31 meint, wenn er vom Verhandlungsergebnis 
Brünings spricht, wohl den Inhalt dieses Gespräches zwischen v. Papen und de La¬ 
boulaye, präzisiert den Inhalt der Ausführungen aber mehr als die deutsche und die 
französische Aufzeichnung. DDF Première Série, Tome 1, Nr. 46 Annexe IV, S. 74 
erwähnt, v. Papen habe nur eine gemischte Aktiengesellschaft für die Gruben vor¬ 
geschlagen, deren Anteile Eigentum der saarländischen Eisenindustrie sein sollten, v. 
Papens Aufzeichnung erwähnt mehrere Gesellschaften. 
14 Vgl. Anm. 13. 
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