überschritten16. Stresemann war allerdings der Öffentlichkeit gegenüber reichlich
optimistisch17.
Immerhin begannen bald danach deutsche Planungen für die Saarrückgliederung
im Rahmen einer Gesamtlösung des deutsch-französischen Verhältnisses. Staats¬
sekretär Pünder entwickelte dem Reichskabinett einen Plan, der gegen Zahlung
von 300 Mio. RM für die Saargruben das Saargebiet mit oder ohne Abstimmung
zum Reich zurückbrachte18. Pünder zog allerdings den Verzicht auf die Abstim¬
mung vor. Am 24. 9. 1926 beschloß das Reichskabinett die Bildung eines Aus¬
schusses aus den beteiligten Reichsministerien, der die im Thoiry-Gespräch ange¬
schnittenen Probleme durchdenken sollte19. Bei der ersten Sitzung dieses Thoiry-
Ausschusses am 27. 9. 1926 wurde das Reichswirtschaftsministerium damit beauf¬
tragt, ein Gutachten über die wirtschaftliche Seite des Saarproblems anzufertigen.
Der Reichswirtschaftsminister wies hier auf die Notwendigkeit großer Zuschüsse
für das Saargebiet bei der Rückgliederung hin. Die Frage, ob der Rückkaufpreis
der Saargruben aus den Dawes-Annuitäten oder auch aus den Dawes-Obligationen
zu finanzieren sei, sollte das Auswärtige Amt mit dem Reichsfinanzministerium
prüfen20. Die zweite Sitzung des Thoiry-Ausschusses am 14. 10. 1926 bestätigte,
daß die Finanzierung aus den Dawes-Annuitäten zweifelhaft war21. Für die weitere
Planung sollte die Saarwirtschaft Unterlagen liefern. Preußen wurde noch nicht
berücksichtigt. In dieser zweiten Sitzung deutete sich zum erstenmal eine isolierte
Saarregelung an, die auch Stresemann, wohl wegen der zögernden Haltung Frank¬
reichs in den in Thoiry erörterten Fragen22, nicht mehr ganz ablehnte. Er wollte
dem Saargebiet in diesem Falle die Besatzung ersparen. Stresemann behielt aber
auch in der folgenden Zeit seine Gesamtkonzeption im Auge und sah die Regelung
der Saarfrage daher nur als Vorstufe der in Thoiry konzipierten Gesamtregelung23.
Diese wurde jedoch äußerst schwierig, da die USA vorher die Ratifizierung des
französisch-amerikanischen Schuldenabkommens verlangten. Der Thoiry-Ausschuß
befaßte sich daher nur noch mit der Saarrückgliederung, konnte aber keine Klar¬
heit über die Aufbringung des Grubenpreises gewinnen24. In Anbetracht der
französischen Haltung erschien eine genaue deutsche Rückgliederungsplanung
nunmehr verfrüht. Nicht nur hatte die französische Regierung keine der in Thoiry
erörterten Fragen näher geprüft, auch ließ der Generalsekretär des französischen
Außenministeriums, Berthelot, gegenüber dem belgischen Botschafter in Paris
durchblicken, daß die vorzeitige Saarrückgliederung Frankreich keine Vorteile
biete25.
Stresemann wurde am 1. 11. 1926 vom französischen Botschafter in Berlin darüber
16 P ü n d e r , Von Preußen nach Europa, S. 86.
17 Vgl. „Gambrinusrede“ Stresemanns v. 21.9. 1926, in: ADAP Serie B, Bd. I, 2, S. 668.
18 ADAP Serie B, Bd. I, 2, Nr. 95 S. 221.
19 Auszug aus dem Protokoll der Ministerbesprechung vom 24.9.1926: BA R 431/242,
Bl. 261.
20 ADAP Serie B, Bd. I, 2, Nr. 114 S. 268f.
21 Ebda., Nr. 144 S. 331.
22 Vgl. ebda., Nr. 148.
23 Ebda., Nr. 161 S. 378, Nr. 174 S. 405 und Nr. 177 S. 420.
24 Ebda., Nr. 175 S. 407f.
25 Documents Diplomatiques Belges 1920—1940, Bd. 2, Brüssel 1964, Nrn. 135f.
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