Schaft zur Sozialdemokratie überhaupt herausgestellt, andererseits mußte der
einzelne Sozialdemokrat nun durch eine schwierige persönliche Entscheidung
den Schritt zum „Landesverrat“ hin tun oder seiner politischen Überzeugung
untreu werden. Die Entwicklung der Sozialdemokratie zum Eintreten für den
Status quo4 hatte für die deutsche Saarpolitik insofern Bedeutung, als sie
Material für die Propaganda lieferte.
Für den Kampf gegen die Sozialdemokratie gab es keine festgelegte Taktik.
Mit der allgemeinen Diffamierung gingen ständige Behinderungen einher. Ty¬
pisch für die Einstellung einiger deutscher Behörden ist die Anfrage des Büros
des Saarbevollmächtigten an das Auswärtige Amt vom 9. Juli 1934, ob die Über¬
lassung von Räumen der französischen Grubenverwaltung an Rückgliederungs¬
gegner zu Versammlungszwecken als Verstoß gegen das von Deutschland und
Frankreich Unterzeichnete Garantieabkommen vom Juni 1934 für die Abstim¬
mungsfreiheit angesehen werden könne. Das Auswärtige Amt verneinte diese
Frage5. Auch tauchte der Gedanke auf, die Zersetzung dadurch zu fördern, daß
die bisherigen finanziellen Zuwendungen Deutschlands an die Partei gesperrt
wurden6. Dies erwies sich als unwirksam. Die Sozialdemokratie gewann zu¬
nehmend mehr Erfahrung in diesem politischen Untergrundkampf7, so daß es
bis zur Abstimmung nicht gelang, ihre oppositionelle Stimme zum Schweigen zu
bringen.
Der Agent der Staatspolizeistelle Trier, der aus francophilen Kreisen kam8,
vermochte außer belanglosen Gesprächen mit Max Braun keine wirkliche Ver¬
bindung zur sozialdemokratischen Opposition zu knüpfen. Jedoch hatte die Ge¬
stapo im Geschäftsführer der „Volksstimme“, Klopfer, einen ungleich gefährli¬
cheren Verbindungsmann. In der Darstellung Kunkels9 ist der Versuch Klop¬
fers geschildert, Ende 1933 M. Braun durch den Vorwurf der Unterschlagung
von Geldern des Internationalen Gewerkschaftsbundes als Vorsitzenden der
SPdS zu erledigen und die „Volksstimme“ durch getarnte Finanzierung als
Oppositionsblatt auszuschalten. Anfang Januar 1934 mußte dieser Plan als ge¬
scheitert gelten. Selbst die „Frankfurter Zeitung“ vom 4. Januar 1934 teilte
mit, daß Gerüchte von Unterschlagungen Brauns „unbegründet“ seien. Da das
Propagandaministerium diese Nachricht als „eine Art Ehrenerklärung für den
Saarverräter Max Braun“ bezeichnete und der übrigen Reichspresse verbot,
diese Nachricht abzudrucken10, durfte das Bild Brauns in der Propaganda als
eines moralisch anfechtbaren Oppositionellen nicht korrigiert werden. Die Lage
innerhalb der SPD-Saar spitzte sich zu einem Konflikt der Partei mit den Ge¬
sellschaftern der „Volksstimme“ zu, da Klopfer seinen Plan, Braun, diesmal
4 Z e n n e r , Parteien, S. 285ff. u. 295ff.; Kunkel, SPD-Saar, S. 82ff.
5 Sehr, des AA v. 14.8.34 an den Saarbevollmächtigten: AA .. .betr. Parteien, Bd. 10.
8 Denkschr. Schneiders v. 10.5.33 und seine Aufzeichnung v. 5.7.33: GehStA, Rep. 77
Nr. 36.
7 Die Druckerei der „Volksstimme“ wurde im November 1933 dem Internationalen Ge¬
werkschaftsbund in Paris überschrieben. Vgl. Bericht der Stapostelle Trier v. 23.11.33:
AA ... betr. Parteien, Bd. 6.
8 Vgl. oben S. 100.
9 Kunkel, SPD-Saar, S. 84ff.
10 Anweisung an die Reichspresse v. 4.1.34: BA ZSg. 101/2, Bl. 5.
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