Erstes Kapitel
Das Bankhaus Lazard, Brach & Co. in St. Johann a. d. Saar
von 1872 - 1904
1. Die Gründer des Bankhauses
a) Die Brüder Myrtil und Leopold Lazard aus Saarlouis
Die Geschichte des Bankhauses und seiner Nachfolgeinstitute ist eng mit der jü¬
dischen Familie Lazard verbunden22. Nach der Zerstörung von Wallerfangen im
Jahre 1687 kamen die ersten jüdischen Familien nach Saarlouis, mußten jedoch
infolge einer königlichen Verordnung vom 26. Juli 1710 die Stadt verlassen. 1715
durften sich die beiden Familien Hayem Worms und Cerf Worms wieder in
Saarlouis niederlassen unter der Bedingung, der französischen Garnison das
Fleisch billiger zu liefern23.
Wegen des Vertrauens24, das diese beiden Familien bei der französischen Armee
genossen, wurden ihnen nach und nach auch die Holzlieferung und Lebensmittel¬
versorgung übertragen. Im Laufe der siebziger Jahre siedelten sich weitere jü¬
dische Familien in Saarlouis an und betrieben Handel. Eine dieser Familien waren
die Lazards. In den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts heiratete Samuel Lazard
Rebecca aus der Familie des Hayem Worms25. Hayem Worms hatte sich infolge
seines Handels mit der französischen Garnison ein ansehnliches Vermögen er¬
worben, was den Neid der Bürger von Saarlouis erregte26. Der Sohn von Samuel
22 Von 1872 bis 1898 war Myrtil Lazard mit seinem Bruder Leopold Inhaber der Firma.
Danach übernahm der Sohn Myrtils, Louis Lazard, das Bankhaus und leitete es bis
1905. Anschließend war er Direktor bei den Nachfolgeinstituten Bergisch Märkische
Bank und Deutsche Bank bis 1935.
23 Festschrift Synagogengemeinde Saarlouis, S. 11.
24 Festschrift Synagogengemeinde Saarlouis, S. 11, „Ces deux Juifs et leur Famille ont
fidèlement remplis cette condition jusqu’à présent“.
25 Dies ist aus der Durchführung des „Decret Imperial“ vom 20. Juli 1808 über die
Namensänderung der Juden ersichtlich. Louis Lazard: „Pardevant Nous Maire de la
ville de Sarrelibre, Canton meme nom, Département de la Moselle, est comparue
la Dame Rebeca Worms, Epouse de Samuel Lazard, qui a déclaré donner à son fils
mineur né à Sarrelibre le 29 frimaire an Six, pour nom de famille celui de Lazard,
et pour prénoms celui de Louis, et a signé avec nous le 8 bru. 1808“ (Stadtarchiv
Saarlouis, ohne Signatur).
2,1 1776 wurden die Metzger der Stadt Saarlouis beim Gerichtshof in Metz vorstellig,
damit dieser die den Juden gewährten Freiheitsbriefe entziehe. Hayem Worms muß
ein sehr hohes Ansehen in Saarlouis unter den Juden genossen haben. Noch 1922
überweist der Bankier Lazard aus Saarbrücken (gemeint ist Louis, der Sohn des
Myrtil Lazard) der Synagogengemeinde Saarlouis 60 000 P-Mark, damit jedes Jahr
für seinen Großonkel Hayem Worms ein Jahrgedächtnis gehalten wird (Festschrift
Synagogengemeinde Saarlouis, S. 12, S. 41).
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