Full text: Die Anfänge des Hauses Habsburg-Lothringen (4)

Einleitung 
Noch bis in die jüngere Neuzeit konnten bekanntlich dynastische Verbindungen 
dazu dienen, politische Beziehungen zu knüpfen bzw. zu vertiefen. Eheschlüsse 
dienten nicht selten der Besiegelung von Staatsverträgen, sie galten als legitimes 
Mittel der Politik. Durch geschickte Heiratspolitik vermochten nicht nur zu¬ 
nächst kleine und mittlere Adelsfamilien allmählich den Aufstieg in die höchste 
Adelsgesellschaft zu gewinnen, mit reichen Erbtöchtern konnten auch Fürsten¬ 
tümer und Königreiche erworben oder vergeben werden. Es ist hier nicht weiter 
daran zu erinnern, wie etwa das lothringische Herzogshaus durch die Heirat 
Franz Stephans mit der Habsburgerin Maria Theresia zur Kaiserwürde im alten 
Reich (später von Österreich) gelangte oder wie schon vorher Maximilian I. auf 
dem Wege der Vermählung mit Maria, der Erbtochter Karls des Kühnen von 
Burgund, die Habsburger zur mächtigsten Dynastie Europas erhob und wie er 
durch die Verehelichung seines Sohnes Philipp mit der spanischen Erbtochter 
Johanna der Wahnsinnigen die Grundlagen für das habsburgische Weltreich 
Karls V. legte, in dessen Grenzen die Sonne nie untergehen sollte. Solche Bei¬ 
spiele sind allgemein bekannt. 
Für das Mittelalter, das die Kategorien der modernen Staatlichkeit und die 
Möglichkeiten des politischen Agierens etwa der zweiten Hälfte der Neuzeit 
noch nicht kannte, ja noch nicht einmal erahnen konnte, mußten die Ehever¬ 
bindungen in Regentenkreisen, aber auch in der führenden Adelsschicht, noch 
in einem viel stärkeren Maße als in den späteren Zeiten der Ausdruck politi¬ 
scher Beziehungsaufnahmen oder Konnexe sein. Menschliche Zuneigung und 
gegenseitiges Verstehen fehlen freilich zwar auch im Mittelalter beim Zustande¬ 
kommen von Ehen nicht; aber in welch höherem Maße doch das persönliche 
Empfinden politischen Überlegungen und Planungen untergeordnet worden ist, 
wird — um nur einige Andeutungen zu geben — jedem bewußt, der einmal 
das Zustandekommen der Ehen etwa Ottos I. mit Edgith von England und 
Adelheid von Italien, derjenigen Ottos II. mit Theophanu aus Byzanz oder der 
Heinrichs VI. mit Konstanze von Sizilien beachtet oder auch schon auf die 
Umstände beim Abschluß der Ehe des nachmaligen Königs Boso von der Pro¬ 
vence mit Ermengarda, der aus Italien entführten Tochter Kaiser Ludwigs II., 
blickt. Und daß ein einmal zustandegekommener Eheschluß am Beginn des 
11. Jahrhunderts auch in der Tat enorme staatliche Konsequenzen erhalten 
konnte, erweisen die erfolgreichen Bemühungen Heinrichs II. und Konrads II. 
um Burgund, die doch die Ehe Giselas, der Schwester des kinderlosen Königs 
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