Einleitung
Noch bis in die jüngere Neuzeit konnten bekanntlich dynastische Verbindungen
dazu dienen, politische Beziehungen zu knüpfen bzw. zu vertiefen. Eheschlüsse
dienten nicht selten der Besiegelung von Staatsverträgen, sie galten als legitimes
Mittel der Politik. Durch geschickte Heiratspolitik vermochten nicht nur zu¬
nächst kleine und mittlere Adelsfamilien allmählich den Aufstieg in die höchste
Adelsgesellschaft zu gewinnen, mit reichen Erbtöchtern konnten auch Fürsten¬
tümer und Königreiche erworben oder vergeben werden. Es ist hier nicht weiter
daran zu erinnern, wie etwa das lothringische Herzogshaus durch die Heirat
Franz Stephans mit der Habsburgerin Maria Theresia zur Kaiserwürde im alten
Reich (später von Österreich) gelangte oder wie schon vorher Maximilian I. auf
dem Wege der Vermählung mit Maria, der Erbtochter Karls des Kühnen von
Burgund, die Habsburger zur mächtigsten Dynastie Europas erhob und wie er
durch die Verehelichung seines Sohnes Philipp mit der spanischen Erbtochter
Johanna der Wahnsinnigen die Grundlagen für das habsburgische Weltreich
Karls V. legte, in dessen Grenzen die Sonne nie untergehen sollte. Solche Bei¬
spiele sind allgemein bekannt.
Für das Mittelalter, das die Kategorien der modernen Staatlichkeit und die
Möglichkeiten des politischen Agierens etwa der zweiten Hälfte der Neuzeit
noch nicht kannte, ja noch nicht einmal erahnen konnte, mußten die Ehever¬
bindungen in Regentenkreisen, aber auch in der führenden Adelsschicht, noch
in einem viel stärkeren Maße als in den späteren Zeiten der Ausdruck politi¬
scher Beziehungsaufnahmen oder Konnexe sein. Menschliche Zuneigung und
gegenseitiges Verstehen fehlen freilich zwar auch im Mittelalter beim Zustande¬
kommen von Ehen nicht; aber in welch höherem Maße doch das persönliche
Empfinden politischen Überlegungen und Planungen untergeordnet worden ist,
wird — um nur einige Andeutungen zu geben — jedem bewußt, der einmal
das Zustandekommen der Ehen etwa Ottos I. mit Edgith von England und
Adelheid von Italien, derjenigen Ottos II. mit Theophanu aus Byzanz oder der
Heinrichs VI. mit Konstanze von Sizilien beachtet oder auch schon auf die
Umstände beim Abschluß der Ehe des nachmaligen Königs Boso von der Pro¬
vence mit Ermengarda, der aus Italien entführten Tochter Kaiser Ludwigs II.,
blickt. Und daß ein einmal zustandegekommener Eheschluß am Beginn des
11. Jahrhunderts auch in der Tat enorme staatliche Konsequenzen erhalten
konnte, erweisen die erfolgreichen Bemühungen Heinrichs II. und Konrads II.
um Burgund, die doch die Ehe Giselas, der Schwester des kinderlosen Königs
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