noch lange keine Gesetzmäßigkeiten. Erst die Kombination von Argumenten
aus der Besitzgeschichte und der Namengebung, dazu Beobachtungen aus dem
politischen Verhalten von Personen zueinander, deren Verwandtschaftszusam¬
menhang man vermutete, u. a. m. konnten gelegentlich weiterführen. Indes sind
diese Möglichkeiten begrenzt und überdies — wo besonders gut möglich: d. h.
für die wichtigsten Adelsfamilien, deren Besitzstand, Namengut und politische
Bedeutung in den Quellen faßbar sind — auch schon zur Erweiterung des
genealogischen Grundwissens angewandt worden. Die herkömmliche genealogi¬
sche Forschung — vor allem für die Familien des höchsten Adels des Früh- und
Hochmittelalters — ist somit vielfach am Rande der Erkenntnismöglichkeiten
angelangt.
In dieser Situation ist es höchst bedeutsam, daß uns eine kleine Gruppe von
Quellen erhalten ist, die — geschrieben ohne die Intention, Geschichte über¬
liefern zu wollen — manche wertvolle historische Nachricht (wenn auch oft nur
andeutungsweise) überliefern und vor allen Dingen ein immenses genealogisch
auswertbares Material enthalten: die Libri memoriales! Erhalten sind uns solche
aus den alemannischen Klöstern Reichenau, St. Gallen und Pfäfers, aus St. Peter
in Salzburg, aus Santa Giulia in Brescia, aus Durham in England und — was
für unseren Betrachtungsbereich von besonderer Wichtigkeit ist — aus dem
Nonnenkloster Remiremont in den Südvogesen4. Diese liturgischen Bücher,
denen noch manche Evangeliare und Missalien mit Randeinträgen memorial¬
buchähnlichen Charakters zur Seite zu stellen sind, enthalten nämlich die vielen
Namen aller derjenigen, die eine kirchliche Gemeinschaft in ihr Gebetsgedenken
einschloß: — die Namen von Äbten und Äbtissinnen sowie von verbrüderten
Klostergemeinschaften, die Namen von Königen und hohen Adligen mit ihrem
Gefolge, die sich anläßlich eines Besuches in das Gebetsgedenken eines Klosters
aufnehmen ließen, wie besonders auch diejenigen von frommen Stiftern und
Schenkern, die durch irgendeine Gabe das Gebet der Mönche, Kleriker oder
Nonnen für sich und ihre engsten Angehörigen erstrebten. Sehr genau ergibt
sich dies aus den Bestimmungen über die Führung eines solchen Gedenkbuches
im Frauenkloster Remiremont. Der Liber memorialis jenes Klosters überliefert
z. B., daß eine Messe täglich für alle jene zu feiern war, qui hunc locum pro
amore Dei ad usus monacharum de rebus suis ditaverunt vel suas nobis seu ante-
cessaribus nostris largiti sunt %lemosinis (also für die Schenker und Stifter) sive
4 Vgl. G. Tellenbach, Liturgische Gedenkbücher als historische Quellen, in:
Melanges Eugene Tisserant V (Studi e testi 235, 1964) S. 389 ff., mit den Angaben
zu den Editionen dieser Codices und den bisherigen Arbeiten zu ihrer Erschließung;
jetzt bes. auch K. S c h m i d, Probleme der Erforschung frühmittelalterlicher Ge-
denkbücher, in: Frühmittelalterliche Studien I (1967) S. 365—405. — Eine Edition
des Liber memorialis von Remiremont, bearbeitet von E. Hlawitschka,
K. S c h m i d und G. Tellenbach, erscheint demnächst in der Reihe MGH
Antiquitates.
12