ragenden, in deutschem Recht bewanderten Mannes, der die deutsche Sprache
spricht und gleichzeitig einem neutralen Lande angehört“, sichern wollte64.
Die Saarländer und die Deutschen bekämpften Nippold und standen dem
Gerichtshof wegen seiner internationalen Zusammensetzung kritisch gegen¬
über65. Daß das Mißtrauen der Saarländer in diese Politik der Regierungs¬
kommission berechtigt war, geht aus zwei bisher nicht bekannten Tatsachen
hervor. Professor Nippold war Moltke-Huitfeldt durch den Franzosen Fro-
mageot empfohlen und mit vollem Einverständnis von Bourgeois, dem fran¬
zösischen Ratsvertreter im Jahre 1920, berufen worden66. Die Verwirk¬
lichung der saarländischen Autonomie war also in den Gesamtrahmen der
französischen Politik eingeordnet, und die Franzosen beeinflußten teilweise
die entsprechenden Maßnahmen der Regierungskommission. Nippold selbst,
der bald mit der Regierungskommission in Schwierigkeiten geriet, urteilte
in einem geheimen Bericht nach Genf über die Institution des Obersten
Gerichtes:
„Die Organisation des Gerichtshofes ist das genaue Gegenteil von dem geworden,
was man hätte anstreben sollen und was den Ideen des Völkerbunds und der beson¬
deren Situation des Saargebietes entsprochen hatte.“ 67
Er legte des weiteren dar, daß man keinerlei Rücksicht auf die öffentliche
Meinung genommen habe und sich nicht von dem Gedanken habe leiten
lassen, die bestehende Gesetzgebung möglichst wenig zu ändern.
„Die Justizverwaltung in Saarbrücken wollte eben gar keinen freien Gerichtshof
des Völkerbundes schaffen, sondern einfach ein gefügiges Instrument des Bürokra¬
tismus.“ 67
Mag auch der Konflikt Nippolds mit der Regierungskommission zur Schärfe
der Formulierungen beigetragen haben, sein Urteil stimmte mit dem der
Saarbevölkerung überein, und da er selbst von der Bevölkerung bekämpft
wurde und über diese hart urteilte68, hatte er keinen Grund, sich mit der
Meinung der Bevölkerung in einem Geheimbericht zu identifizieren.
Den schärfsten Ausdruck fand das Streben der Regierungskommission, dem
Saargebiet weitgehend das Gepräge eines autonomen Staatsgebildes zu
geben, in der Verordnung über die „Eigenschaft als Saarbewohner“ 69. Der
Versailler Vertrag hatte zwar ausdrücklich bestimmt, daß die deutsche
Staatsangehörigkeit der Saarländer erhalten bleibt (§ 27), die Regierungs¬
64 S.D.N. J.O. 1,6 (1920), S. 371.
65 Von den elf Richtern dieses Gerichtshofs waren drei Schweizer, zwei Saarländer, zwei
Franzosen, einer war Belgier, einer Niederländer, einer Tscheche und einer Luxem¬
burger. Wambaugh, a. a. O., S. 77.
66 So Moltke-Fluitfeldt in einem Gespräch mit Colban, Aufzeichnung Colbans über dieses
Gespräch in S.D.N. Archives des Sections du Secretariat, Section Politique, Sarre
Nr. 57,5. Cour supreme de Justice 1919—1926.
67 Ebenda, im Aktenstück „Cour supreme de justice“ geheimer Bericht Nippolds an
das Sekretariat.
68 O. Nippold, Das Saarregime nach eigenem Erleben, Separatdruck aus der „Neuen
Züricher Zeitung“ Nrn. 503, 557 und 602 März/April 1935, S. 11 ff.
69 Amtsblatt d. Reg.-Kom. d. Saargeb. v. 25. 6. 1921, Nr. 530; Deutsches Weißbuch,
S. 90ff.; J.O. 11,8 (1921), S. 840f.; vgl. zur juristischen Auseinandersetzung mit dieser
Verordnung bes. Katsch, a. a. O., S. 42ff.
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