Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935

den Jahren der Hoffnungen auf die europäische Verständigungspolitik eine 
Zeit der Stagnation und Resignation. Die Weltwirtschaftskrise führte zu 
einer weiteren Depression des politischen Lebens, zum Anwachsen des saar¬ 
ländischen Kommunismus und zu einer ersten größeren Aktivität der 
NSDAP im Saargebiet. 
In diese Situation, die seit dem Scheitern der Saarverhandlungen im Som¬ 
mer 1930 bereits zwei Jahre währte, fiel die Bildung der Regierung Hitler. 
Die Bindung der entscheidenden saarländischen Parteien an die demokra¬ 
tische Vorstellungswelt und die Außenpolitik Stresemanns und Brünings 
hatte sie den Nationalsozialismus heftig bekämpfen lassen; die neue natio¬ 
nalsozialistische Reichsregierung bedeutete für sie eine tiefe Enttäuschung 
und ein Scheitern auch ihrer innenpolitischen Vorstellungen. Dennoch führte 
die politische Entwicklung im Jahre 1933 im Saargebiet dazu, daß sich 
bereits im Herbst 1933 alle Parteien außer den beiden sozialistischen auf¬ 
lösten. Die Parteien erwiesen bei aller prinzipiellen und traditionellen Ab¬ 
lehnung des Nationalsozialismus, die teilweise auch nach 1933 noch sehr 
scharf zum Ausdruck kam, eine erstaunlich geringe Widerstandskraft. Neben 
den Tatsachen, daß in den ersten Monaten nach dem 30. Januar 1933 ihre 
Opposition durch die Abhängigkeit von den deutschen Mutterparteien und 
deren Haltung und durch vielfältige Einflußmöglichkeiten der National¬ 
sozialisten und der NS-Regierung auf das Saargebiet geschwächt wurde, 
führt die Betrachtung dieses Prozesses tiefer in die politischen Vorstellungen 
der einzelnen Parteien, insbesondere der Zentrumspartei, ein. Zunächst und 
vor allem wurde klar, daß die demokratischen Ideen für die bürgerlichen 
Parteien und die Zentrumspartei kein selbständiger Bestandteil ihrer Auf¬ 
fassungen waren, sondern daß sie als nationaldemokratische Vorstellungen 
auf ihren Kristallisationspunkt, das nationale Selbstbestimmungsrecht und 
das Nationalbewußtsein, angewiesen waren. So wurde es allen Parteien, 
auch den Sozialdemokraten und den Kommunisten, schwer, die Volks¬ 
abstimmung für die Rückgliederung an Deutschland aus grundsätzlicher 
Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus in Frage zu stellen. Das zeigte 
sich nicht nur im Verhalten der Parteileitungen, sondern war für die gesamte 
Bevölkerung in besonderem Ausmaß der Fall, da ihre politische Aktivität 
und der Anteil breiterer Schichten am politischen Leben im Saargebiet in 
dem Augenblick eingesetzt hatte, als es um die nationale Frage ging. Alle 
Parteien, mit Ausnahme der sozialistischen, sahen zudem die Regierung 
Hitler selbstverständlich als legitime Reichsregierung und als Verhandlungs¬ 
partner an. In den zahlreichen Versuchen des Zentrums, eine kritische und 
selbständige Stellung gegenüber dem Nationalsozialismus zu wahren, offen¬ 
barte sich, daß die Vorbehalte fast ausnahmslos weltanschaulicher Art 
waren. Überdies ließ sich das Zentrum, obwohl es die beherrschende Position 
an der Saar besaß, in eigentümlicher Weise durch die nationalsozialistischen 
Angriffe auf seine nationale Zuverlässigkeit herausfordern und wies immer 
wieder auf seine nationale Vergangenheit wie seinen Willen zur Mitarbeit 
hin. Das erweckt den Eindruck, als ob noch nationale und politische Infe¬ 
rioritätsgefühle aus der Zeit der beherrschenden Stellung des Nationallibera- 
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