den Jahren der Hoffnungen auf die europäische Verständigungspolitik eine
Zeit der Stagnation und Resignation. Die Weltwirtschaftskrise führte zu
einer weiteren Depression des politischen Lebens, zum Anwachsen des saar¬
ländischen Kommunismus und zu einer ersten größeren Aktivität der
NSDAP im Saargebiet.
In diese Situation, die seit dem Scheitern der Saarverhandlungen im Som¬
mer 1930 bereits zwei Jahre währte, fiel die Bildung der Regierung Hitler.
Die Bindung der entscheidenden saarländischen Parteien an die demokra¬
tische Vorstellungswelt und die Außenpolitik Stresemanns und Brünings
hatte sie den Nationalsozialismus heftig bekämpfen lassen; die neue natio¬
nalsozialistische Reichsregierung bedeutete für sie eine tiefe Enttäuschung
und ein Scheitern auch ihrer innenpolitischen Vorstellungen. Dennoch führte
die politische Entwicklung im Jahre 1933 im Saargebiet dazu, daß sich
bereits im Herbst 1933 alle Parteien außer den beiden sozialistischen auf¬
lösten. Die Parteien erwiesen bei aller prinzipiellen und traditionellen Ab¬
lehnung des Nationalsozialismus, die teilweise auch nach 1933 noch sehr
scharf zum Ausdruck kam, eine erstaunlich geringe Widerstandskraft. Neben
den Tatsachen, daß in den ersten Monaten nach dem 30. Januar 1933 ihre
Opposition durch die Abhängigkeit von den deutschen Mutterparteien und
deren Haltung und durch vielfältige Einflußmöglichkeiten der National¬
sozialisten und der NS-Regierung auf das Saargebiet geschwächt wurde,
führt die Betrachtung dieses Prozesses tiefer in die politischen Vorstellungen
der einzelnen Parteien, insbesondere der Zentrumspartei, ein. Zunächst und
vor allem wurde klar, daß die demokratischen Ideen für die bürgerlichen
Parteien und die Zentrumspartei kein selbständiger Bestandteil ihrer Auf¬
fassungen waren, sondern daß sie als nationaldemokratische Vorstellungen
auf ihren Kristallisationspunkt, das nationale Selbstbestimmungsrecht und
das Nationalbewußtsein, angewiesen waren. So wurde es allen Parteien,
auch den Sozialdemokraten und den Kommunisten, schwer, die Volks¬
abstimmung für die Rückgliederung an Deutschland aus grundsätzlicher
Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus in Frage zu stellen. Das zeigte
sich nicht nur im Verhalten der Parteileitungen, sondern war für die gesamte
Bevölkerung in besonderem Ausmaß der Fall, da ihre politische Aktivität
und der Anteil breiterer Schichten am politischen Leben im Saargebiet in
dem Augenblick eingesetzt hatte, als es um die nationale Frage ging. Alle
Parteien, mit Ausnahme der sozialistischen, sahen zudem die Regierung
Hitler selbstverständlich als legitime Reichsregierung und als Verhandlungs¬
partner an. In den zahlreichen Versuchen des Zentrums, eine kritische und
selbständige Stellung gegenüber dem Nationalsozialismus zu wahren, offen¬
barte sich, daß die Vorbehalte fast ausnahmslos weltanschaulicher Art
waren. Überdies ließ sich das Zentrum, obwohl es die beherrschende Position
an der Saar besaß, in eigentümlicher Weise durch die nationalsozialistischen
Angriffe auf seine nationale Zuverlässigkeit herausfordern und wies immer
wieder auf seine nationale Vergangenheit wie seinen Willen zur Mitarbeit
hin. Das erweckt den Eindruck, als ob noch nationale und politische Infe¬
rioritätsgefühle aus der Zeit der beherrschenden Stellung des Nationallibera-
321