Full text: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920 - 1935

Deutschland in Frage kam. Damit war die vorgesehene fünfzehnjährige 
Dauer des Sonderregimes, von dem Frankreich sich eine Gewinnung der 
Saarbevölkerung versprochen hatte, letztlich politisch sinnlos geworden. Das 
nationaldemokratische Denken der Saarländer führte zu der konsequenten 
Forderung, daß das Saarsystem als politisch und, da die nordfranzösischen 
Kohlengruben wiederhergestellt waren, auch als wirtschaftlich überholt zu 
liquidieren sei. Die außenpolitische Konzeption der politischen Parteien der 
Saar stand deshalb, besonders seit 1926, ganz unter dem Gedanken einer 
möglichst baldigen und vorzeitigen Rückgliederung. Mit diesem Programm 
stießen die politischen Parteien an entscheidende Grenzen ihres Einflusses 
und des bestehenden Systems. Einmal zeigte sich, daß der Rahmen der poli¬ 
tischen Aktivität des Rates und Sekretariats des Völkerbundes in der Saar¬ 
frage nicht über die Vertragsbestimmungen von Versailles hinaus auszu¬ 
weiten war. Im Vertrag war dem Völkerbund das Saargebiet als Verwal¬ 
tungsaufgabe zugewiesen worden, und der Rat konnte nicht ohne Über¬ 
schreitung des Vertrages eine Basis für internationale Verhandlungen über 
eine vorzeitige Rückgliederung der Saar gewinnen. Für die Saarländer waren 
die im System liegenden Möglichkeiten zu einer erfolgreichen Politik durch 
Vorstellungen beim Völkerbund ausgeschöpft. Hinfort knüpften sich ihre 
Hoffnungen an die deutsch-französische Verständigungspolitik Briands und 
Stresemanns. So ging die politische Aktivität der Parteien bei den Ratsmit¬ 
gliedern in Genf zurück zugunsten einer Zusammenarbeit mit der Deutschen 
Reichsregierung. Während jedoch auf der internationalen Ebene des Völker¬ 
bundes bei der Behandlung der Saarfrage ideelle Vorstellungen eine Rolle 
gespielt hatten, änderte sich jetzt die Situation grundlegend. In den Bemü¬ 
hungen um eine Bereinigung der Saarfrage durch bilaterale Verhandlungen 
mußten die realen Interessen Frankreichs an der Saar wieder eine größere 
Bedeutung gewinnen; die Gegensätze zwischen der außenpolitischen Kon¬ 
zeption der Saarländer und der deutschen Revisionspolitik einerseits und 
andererseits Briands Politik der Sicherheit und europäischen Solidarität, zu 
deren wesentlichem Bestandteil auch der Versailler Vertrag gehörte, mußten 
sich in aller Schärfe zeigen. Das Scheitern der Saarverhandlungen des Jah¬ 
res 1929/30 war für die saarländischen Parteien eine große Enttäuschung, 
da Frankreich nach ihrer Auffassung sich einer Liquidation eines Unrechts 
entzogen hatte und damit eine Friedensordnung aus westlich-demokratischen 
Vorstellungen in Frage stellte. So führten die Verhandlungen erneut zu einer 
nationalen Erregung an der Saar gegenüber Frankreich und zu der Auffas¬ 
sung, daß man sich in Zukunft vor der Politik französischer Rechtskreise, 
die den Status quo zur Behauptung wirtschaftlicher Vorteile Frankreichs 
erstrebten, vorsehen müsse. Der einzige Inhalt der saarländischen Politik 
blieben hinfort vage Hoffnungen auf eine vorzeitige Rückgliederung, Wei¬ 
terpropagierung einer nationalen Entscheidung im Plebiszit und die Ver¬ 
tretung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen der Bevölkerung. Die 
Zeit der Ausformung der Programme und der großen Erfolge in Genf war 
vorbei, man verwuchs immer stärker mit den Konflikten der Spätphase der 
Weimarer Republik, es war gegenüber den ersten Jahren des Kampfes und 
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