Der Einfluß Wilsons bei der Saarlösung fand besonders in der Bindung an
den Völkerbund seinen Ausdruck. Artikel 49 des Vertrages besagte:
„Deutschland verzichtet zugunsten des Völkerbunds, der insoweit als Treu¬
händer gilt, auf die Regierung des oben bezeichneten Gebiets.“ Nach § 16
und § 17 Kapitel II des Anhanges wird die Regierung des Saarbeckens
„einem den Völkerbund vertretenden Ausschuß übertragen“, der aus fünf
Mitgliedern besteht, die vom Rat des Völkerbundes ernannt werden und
dem ein Franzose und „ein aus dem Saarbeckengebiet stammender und dort
ansässiger Nichtfranzose“ angehören müssen; die drei anderen Mitglieder
müssen aus drei anderen Ländern als Deutschland und Frankreich berufen
werden. Diese Regierungskommission besitzt im Saargebiet „alle Regierungs¬
befugnisse, die früher dem Deutschen Reiche, Preußen und Bayern zustan¬
den, einschließlich des Rechts, Beamte zu ernennen und abzuberufen und alle
ihm erforderlich scheinenden Verwaltungsstellen und Vertretungen zu schaf¬
fen“ (§ 19). Ihr müssen alle amtlichen Urkunden und Archive, die das Saar¬
beckengebiet oder die Rechte seiner Einwohner betreffen, ausgeliefert wer¬
den (§ 20). Sie sorgt für den Schutz der Interessen der Einwohner im Aus¬
land (§ 21), ihr fällt die volle Nutznießung des gesamten Eigentums zu,
„das bisher der Deutschen Reichsregierung oder der Regierung irgend eines
deutschen Staates im Saarbeckengebiet als öffentliches oder privates Staats¬
eigentum gehörte" (§ 22). Sie beruft einen Gerichtshof für Zivil- und Straf¬
sachen, der die Berufungsinstanz für die im Saarbecken bestehenden Zivil¬
und Strafgerichte darstellt (§ 25). Sie erhebt die Abgaben und Steuern (§ 26),
ist für den Schutz der Person und des Eigentums im Saarbeckengebiet ver¬
antwortlich und errichtet eine örtliche Gendarmerie zur Aufrechterhaltung
der Ordnung (§ 30). Die Bedeutung der Kompetenzen der Kommission
wurde durch zwei weitere Bestimmungen wesentlich gesteigert. § 23 band
die Regierungskommission bei Gesetzesänderungen oder neuen Gesetzen und
Verordnungen zwar daran, die Äußerung der gewählten Vertreter der Be¬
völkerung anzuhören, legte aber fest, daß Gesetze und Verordnungen „durch
den Regierungsausschuß . . . beschlossen und eingeführt“ werden. Die letzte
Entscheidung und Verantwortung für die Gesetzgebung lag also bei der
Regierungskommission. § 33, Kapitel II der Anlage besagte, daß die Regie¬
rungskommission zur Auslegung aller Fragen über die Saarbestimmungen
ermächtigt ist und Deutschland und Frankreich in allen Streitfällen, die sich
auf Grund einer verschiedenen Auslegung ergeben, an die Entscheidung der
Regierungskommission gebunden sind.
Platte bei Wilson in der Schaffung der internationalen Verwaltung der Ge¬
danke mitgespielt, dem Völkerbund eine konkrete Aufgabe zu geben39, so
kam das Saarstatut auch in anderen Festlegungen den Vorstellungen Wilsons
entgegen. Die freie Abstimmung unter Kontrolle des Völkerbundes sollte
zwar erst in 15 Jahren stattfinden, respektierte aber doch grundsätzlich das
Recht der Selbstbestimmung. Die Garantie der Gesetze und Verordnungen,
wie sie am 11. November 1918 in diesem Gebiet in Kraft waren (§ 23),
39 A. Allot, Le Bassin de la Sarre, Paris 1924, S. 17.
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