4. Zwischen Gleichschaltung, Widerstand und Hoffnung auf internationale
Hilfe
Die Auflösung der bürgerlichen Parteien und der Zentrumspartei
Mit dem Monat Oktober 1933 begann eine neue Phase der innersaarländi¬
schen Entwicklung, da die bürgerlichen Parteien und das Zentrum sich auf¬
lösten, Diese Veränderung ergab sich zum Teil als Konsequenz aus der
Formierung der gemeinsamen Deutschen Front und einer Abwanderung
von Mitgliedern zur NSDAP, aber auch durch Druck von nationalsoziali¬
stischer Seite und aus der Tatsache, daß innerhalb der Führungsschicht der
Parteien einige Persönlichkeiten für den Gedanken einer restlosen Integrie¬
rung der Parteien in die Deutsche Front gewonnen werden konnten.
Die Deutschnationale Volkspartei und die Wirtschaftspartei (Bürgerliche
Mitte) leisteten auf Grund ihres Programmes bzw. ihrer geringen Bedeu¬
tung im saarländischen politischen Leben keinen Widerstand gegen eine
Auflösung. Der Vertreter der Bürgerlichen Mitte hatte schon in der Unter¬
redung mit Hitler betont, daß seine Partei nur mehr im Hinblick auf die
Saarabstimmung Daseinsberechtigung habe214. Aber auch die Deutsch-Saar-
ländische Volkspartei, die versucht hatte, die selbständigen Parteien im
Saargebiet zu retten, konnte sich auf die Dauer gegenüber der Auffassung,
daß alle Parteien in einer gemeinsamen Front aufgehen und dadurch der
nationalen Zielsetzung besser dienen sollten, nicht behaupten. Als eine
weitere Unterredung der saarländischen Parteiführer bei Hitler abgelehnt
wurde, war es klar, daß auch Hitler die Aufrechterhaltung der saarländi¬
schen Parteien — auch aus rein taktischen Gründen — nicht mehr bil¬
ligte215 216. Der NSDAP gelang es, ihrem Wunsch nach Auflösung der Parteien
dadurch Nachdruck zu verleihen, daß sie im September eine Reihe von
Ortsgruppen der Deutsch-Saarländischen Volkspartei zum geschlossenen
Übertritt zur NSDAP gewann 256. In dieser Lage erfolgte am 20. September
1933 die Auflösung der Deutschnationalen Volkspartei217. Die Deutsch-
Saarländische Volkspartei gab ihren Auflösungsbeschluß vom 6. Oktober
1933 in einer gemeinsamen Erklärung mit der Bürgerlichen Mitte be¬
kannt218. Der Schritt wurde mit vaterländischer Gesinnung und dem Gedan¬
ken der nationalen Sammlung in der Deutschen Front begründet; die
Deutsch-Saarländische Volkspartei berief sich überdies in einem zusätzlichen
Aufruf auf ihren opferwilligen Standpunkt im nationalen Interesse und
zog als Parallele ihre Entscheidung von 1924 zur Vereinigung mit der
Demokratischen Partei heran; eine positive Äußerung zur NSDAP oder die
Aufforderung zum Übertritt in diese Partei enthielten die Erklärungen
nicht219. Zu politischem Widerstand kam es aus Kreisen dieser Parteien
214 Vgl, dazu die Ausführungen Schmolls unten S. 380 f.
215 BA Koblenz, R 43 1/253; auch Hoffmann berichtete Baik, daß Spaniol mit der Wei¬
sung Hitlers zur Auflösung der Parteien gekommen sei. Balk, a. a. O., S. 150f.
216 Saar-Front Nr. 188 v. 30. 9. 1933.
217 B a r t z, a. a. O., S. 29.
21S S.2. Nr. 266 V. 7. 10. 1933.
229 Ebenda.
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