sehen Polizisten — über die Grenze nach Deutschland gebracht und dann
verhaftet86. Diese Aktivität der NSDAP steigerte sich besonders im Früh¬
sommer 1934; das Büro der Saarländischen Wirtschaftsvereinigung, einer
frankophilen Organisation unter Leitung des ehemaligen Mitgliedes der
Regierungskommission, Dr. Hector, wurde ausgeraubt und demoliert, ohne
daß die Polizei zunächst eingriff; sämtliches Aktenmaterial über die fran¬
zösischen Domanialschulen wurde in einer Nacht aus der Bergwerksdirek¬
tion gestohlen; schließlich wurde ein Attentat gegen den von den National¬
sozialisten heftig bekämpften Polizeikommissar Machts verübt, das zu einer
Schuß Verletzung am Bein führte87.
Die Regierungskommission sah sich auf Grund der gekennzeichneten Ent¬
wicklung seit Februar 1933 zu einer sorgfältigen Beobachtung der Verhält¬
nisse und zu einer Reihe energischer Verordnungen und Maßnahmen ge¬
zwungen, die der Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung dienen und die
Rechtssicherheit und persönliche Sicherheit aller Bewohner des Saargebietes
erhalten und ein freies Plebiszit garantieren sollten. Die Politisierung der
Schulen, der Beamtenschaft, der Gewerkschaften und der Sportverbände
sollte verhindert werden; die Zusammenstöße zwischen politischen Gegnern
durch die Einschränkung der Veranstaltungen auf geschlossene und melde¬
pflichtige Versammlungen unmöglich gemacht und die Einwirkungen von
außen, insbesondere durch die nationalsozialistischen Reichsstellen und die
Gauleiter sollte durch das Verbot der organisatorischen Abhängigkeit aller
Parteien, Verbände und Institutionen von außersaarländischen Organisatio¬
nen und der Leitung von saarländischen Organisationen durch Nicht-Saar¬
einwohner verhindert werden. Bestimmte Vergehen, wie Beschimpfung der
Regierungskommission, Drohungen, Boykott, Terror, wurden unter schwere
Strafe gestellt. Diese Verordnungen lehnten sich zum größten Teil an ent¬
sprechende Notverordnungen im Deutschen Reich, vor allem unter der
Kanzlerschaft Brünings, an88; sie wurden aber in der Mehrzahl vom saar¬
ländischen Landesrat nicht gutgeheißen. Platte man bereits die Verordnung
über die Wehrverbände 1928 abgelehnt89, so sah man auch in den neuen
Verordnungen eine ungerechtfertigte Einmischung der landfremden Regie¬
rungskommission in das politische Kräftespiel. Bei jeder Beschränkung der
politischen Bewegungsfreiheit lebten die Erinnerungen an die Kämpfe des
Jahres 1923 auf, und man berief sich auf die Freiheits- und Ordnungsliebe
der Saarländer und verwies auf die positiven Beurteilungen der Bevölkerung
z. B. durch Präsident Stephens90. Waren die Verordnungen auch primär
gegen das Vorgehen der Nationalsozialisten gedacht, so lehnten sie aber auch
86 Com. d. Gouv., Pr.-V. v. 5. 4. 1933, S. 229; Volksstimme Nr. 79 v. 3. 4. 1933; S.L.Z.
Nr. 19(5 v. 27. 7. 1933.
87 S.D.N. J.O. XV,9 (1934), S. 1128 f., S. 1140 und S. 1170 f.
88 Die Verordnungen sind alle im Amtsblatt d. Reg. Kom. v. 1933 und 1934 veröffent¬
licht. Berichte über die Verordnungen, ihren Sinn und ihre Anwendung in den Ber.
d. Reg. Kom.: S.D.N. J.O. XIV,6 (1933), S. 719 ff.; XIV,10, S. 1126 f.; XV,4 (1934),
S. 394 f.; XV,5, S. 437; XVI,1 (1935), S. 22 f.
89 Vgl. oben S. 252.
90 Z. B. Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 19. 5. 1933, S. 113; v. 30. 5. 1933, S. 129ff.
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