sehen Konzessionen steigerte sich überdies nach dem Rücktritt der Regierung
Hermann Müller und dem Beginn des Kabinetts Brüning. Es kam zu Diffe¬
renzen zwischen Zentrumspartei und Sozialdemokraten im Saargebiet178.
Da die preußischen Mitglieder der Pariser Delegation scharfe Anweisungen
vom preußischen Minister für Handel und Gewerbe erhielten, vermutete
man in der deutschen Delegation in Paris, daß das auf den Einfluß Max
Brauns in Berlin zurückzuführen sei, der den Saarverhandlungen in der
Konstellation Tardieu—Brüning keinen Erfolg wünsche179. Am 29. Mai 1930
wandten sich die Freien Gewerkschaften und die Sozialdemokratische Partei
in einer Eingabe an Reichskanzler Brüning, in der die beiden entscheidenden
Abschnitte lauteten:
„Die sozialdemokratische Partei und die Freien Gewerkschaften des Saargebiets
machen die Reichsregierung nochmals mit allem Nachdruck darauf aufmerksam,
daß sie einer Verlängerung des de Wendelschen Pachtvertrages (Großrosseln) und
des Pachtvertrages Frankenholz unter Zuteilung preußischer Pachtfelder als Be¬
dingung für die Saarrückgliederung nicht zustimmen können und mit allen zu
Gebote stehenden Mitteln dagegen vorgehen werden . . .“
Sie seien der Meinung, „daß eher eine Vertagung oder Aufschiebung der Rück¬
gliederungsverhandlungen in Kauf genommen werden muß, als einer Rückgliede¬
rung unter Bedingungen zuzustimmen, die für die gedeihliche Zukunftsentwicklung
der Saar als unerträgliche Belastung angesehen werden müssen“ 18°.
Diese Eingabe traf erst ein, als die Ablehnung der französischen Vorschläge
bereits beschlossen war, zeigt aber mit aller Deutlichkeit, wie die Haltung
der Saarparteien, insbesondere der Sozialdemokraten, ein Eingehen auf
französische Wünsche kaum möglich machte. Hier nahmen die Sozialisten
sogar ihr ursprüngliches Einverständnis mit gewissen Zugeständnissen zurück.
Das spricht für die Vermutung der deutschen Delegation, daß ab März 1930
die Sozialdemokraten an einer sofortigen Lösung der Saarfrage kein Inter¬
esse mehr hatten.
Die letzte Phase der Verhandlungen, die am 19. März begann, brachte keine
wesentlich neuen Gesichtspunkte in die Diskussion; die Verhandlungen wur¬
den in den folgenden Monaten schleppend und mit mehreren Pausen ge¬
führt. Man hatte auf deutscher Seite zwar den Eindruck, daß die Franzosen
zu einem Abschluß kommen wollten und vorübergehend traten die gegen¬
sätzlichen Standpunkte auch etwas in den Hintergrund, als auf Wunsch der
deutschen Delegation in der Grubenkommission die Pachtverträge überprüft
wurden, also vom deutschen Ansatz ausgegangen wurde, während man in
der Zollkommission die französischen Vorstellungen als Gesprächsbasis
nahm. Trotzdem stieß man ständig wieder auf die gegensätzlichen Auffas¬
sungen in der Grubenfrage. Die Franzosen machten schließlich neue Vor¬
schläge, in denen sie neben den Warndtkonzessionen einen weiteren Grenz¬
streifen mit Kohlenfeldern verlangten181. Sie verzichteten damit auf die
nicht grenznah gelegene Grube Frankenholz, für die in den Simsonschen
178 A.A., a. a. O., Bd. 9, II SG 1030, darüber berichteten die Zentrumspolitiker in einer
Besprechung mit Brüning am 10. 5. 1930; außerdem ebenda, e.o. II SG 1017.
179 Ebenda, Bd. 9, II SG 1113, Abschrift eines Briefes Friedbergs an Simson.
180 Ebenda, Bd. 10, II SG 1220.
181 Ebenda, Bd. 8, II SG 714, Telegramm Simsons v. 2. 4. 1930.
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