Parteien und Gruppen im Saargebiet die uneingeschränkte territoriale Rück¬
gliederung des Gebietes und den Übergang der Gruben in preußischen und
bayerischen Staatsbesitz fordern. Von diesen Bedingungen dürfe nicht abge¬
gangen werden, „selbst auf die Gefahr hin, daß die Lösung der Saarfrage
dann bis ins Jahr 1935 verschoben werden sollte"82. Die Übereinstimmung
der Reichsregierung mit den saarländischen Vertretern über diese Fragen
wurde betont, Staatssekretär von Simson behielt sich lediglich vor, auch
hierin als Delegationsleiter vorsichtig zu taktieren. Für die Verhandlungen
war durch die Hinzuziehung des Gremiums A eine ungewöhnliche Situation
geschaffen. Die Delegation war in ihren Schritten nicht nur an die Einholung
der Zustimmung der Reichsregierung gebunden, sondern mußte sich auch
des Einverständnisses der Vertretung der Saarbevölkerung immer wieder
vergewissern. Dadurch sah sich der Verhandlungsleiter genötigt,
. durch Vermittlung der Führer der Parteien, der Gewerkschaften und der
Wirtschaft den breiten Massen der Bevölkerung Verständnis für die Verhandlungs¬
methode und Taktik beizubringen“83,
wie es in dem Bericht des Delegationschefs von Simson über die Saarver¬
handlungen hieß.
3. Die Frage eines französischen Saarprogramms in den Jahren der
europäischen Verständigungspolitik Briands
Die offizielle französische Politik hatte in Versailles die Saar aus wirtschaft¬
lichen und strategischen Gründen gefordert und ein historisches Anrecht auf
dieses Gebiet konstruiert. Im Rahmen der französischen Friedenskonzeption
stellte das Saarstatut ein Teilglied der wirtschaftlichen Reparationen wie der
Garantie der französischen Sicherheit dar. Man hatte gehofft, diese Position
für immer behaupten zu können. Die Reaktion der saarländischen Bevölke¬
rung und das Scheitern der französischen Saarpolitik des Jahres 1923 er¬
wiesen rasch die Aussichtslosigkeit solcher Vorstellungen. Alle französischen
Bemühungen stießen sich stets erneut an der entscheidenden Schwierigkeit,
daß eine eingeborene französische Bevölkerung im Saargebiet nicht existierte
und damit der französischen Politik Grundlage und positive Resonanz an
der Saar fehlten. Die französische Nation in ihrer Gesamtheit besaß kein
Verhältnis zur Saar und zur Saarpolitik und verlor, seit die nordfranzösi¬
schen Gruben wieder hergestellt und Locarno sie in der Frage der Sicherheit
weitgehend beruhigt hatte, jedes Interesse84. Nur in den politischen Kon¬
zeptionen der Sozialisten und der Rechtskreise tauchte das Saarproblem
regelmäßig auf. Die Sozialisten verlangten eine baldige Berücksichtigung des
Selbstbestimmungsrechts der Saarländer, also eine Revision von Versailles85,
die Rechtskreise dagegen forderten eine Politik der Aktivität und der Stärke
82 Ebenda, Niederschrift Friedberg.
83 Ebenda, Bd. 10, II SG 1439.
84 So auch Wambaugh, a. a. O., S. 104.
85 Näheres vgl. oben S. 184 f.
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