begrenzten Umfang mäßigend auf die Forderungen der saarländischen Par¬
teiführer in Genf ein, da Stresemann die Verteidigung der saarländischen
Belange im Zusammenhang mit der Gesamtsituation sah und den Partei¬
führern gegenüber immer wieder betonte, daß die Saarfrage im Zuge einer
Gesamtlösung der außenpolitischen Probleme Deutschlands zu suchen sei14.
Die saarländischen Parteien sollten in enger Fühlungnahme mit dem Aus¬
wärtigen Amt und der deutschen Reichsregierung stehen, ihre Tätigkeit sollte
aber nicht nur unterstützt, sondern auch in Einklang mit der offiziellen
deutschen Außenpolitik gebracht werden. So trat die Situation ein, daß nach
dem Eintritt Deutschlands in den Völkerbund dieses von sich aus keine ein¬
zige Beschwerde über die Saar vor den Rat brachte. Beschwerden und Peti¬
tionen der Saarbevölkerung gingen bis 1933 nur noch in wenigen Fällen
nach Genf15.
Mit der Verlagerung des Schwerpunkts der politischen Tätigkeit auf Ver¬
handlungen mit den deutschen Vertretern und mit Berlin traten die Pro¬
bleme eines weiteren demokratischen Ausbaues des Saarsystems zurück, und
man stellte sich in steigendem Maße auf die Rückgliederung ein. Wenn alle
Parteien in dieser Zielsetzung auch übereinstimmten, so differierten ihr Ver¬
hältnis zur deutschen Außenpolitik und ihre auf die Rückgliederung zielende
Politik doch voneinander.
Die Sozialdemokratische Partei der Saar betonte immer wieder in den fol¬
genden Jahren die Notwendigkeit der deutsch-französischen Verständigung
und sah Hemmnisse in einem Fortschritt dieser Politik in erster Linie vom
Gesichtspunkt der deutschen und internationalen Parteikonstellation her16.
Zwischen den französischen und saarländischen Sozialisten wurde ein gutes
Verhältnis gepflegt; in der sozialdemokratischen Presse wurde immer wie¬
der auf Verständnis und Unterstützung durch die französischen Sozialisten
hingewiesen17. Die sozialdemokratischen Vertreter wurden im Landesrat
Initiatoren von Sympathieadressen an internationale sozialistische Verstän¬
digungspolitiker wie Branting und Vandervelde18. Die Bejahung der Politik
der Verständigung führte bei dieser engen Verbindung mit dem Parteistand¬
punkt aber auch zu einem doktrinären Idealismus, der reale Schwierigkeiten
und Möglichkeiten weniger untersuchte, als rasch mit mangelndem Inter¬
nationalismus und mangelnder europäischer Gesinnung erklärte.
14 Dazu Besprechung Stresemanns mit den saarländischen Parteivertretern am 5. April
1927, A. A. II Bes. Geb., Saargebiet, Pol. Parteien, Bd. 2 e. o. II SG 749 u. II SG 852
und S.L.Z. Nr. 250 v. 15. 9. 1927 „Das Saarproblem der Lösung näher“.
15 Siehe Übersicht über die Denkschriften unten als Anlage 6, S. 347 ff.
16 Z. B. Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 11. 10. 1927, S. 204 f.; v. 31. 3. 1927, S. 8, u.
v. 3. 5. 1928, S. 12 f.
17 Vgl. dazu oben S. 184 f.
18 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 7. 1. 1925: Auf Antrag Dr. Senders wurde dem
schwedischen Ministerpräsidenten Branting anläßlich seiner Erkrankung ein Telegramm
gesandt, in dem dieser „unentwegter Kämpfer für die Verständigung der Völker“
genannt wurde. A. a. O., Sten. Ber. v. 31. 3. 1927: Danktelegramm an den belgischen
Sozialistenführer Vandervelde „für sein mannhaftes Eintreten für die unterdrückte
Saarbevölkerung“. (Es handelte sich um die Ratsdebatte bei Schaffung des internatio¬
nalen Bahnschutzes.)
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