war, gaben die saarländischen Parteien am 28. September 1923 folgende
Erklärung ab:
„Die politischen Parteien von den Sozialdemokraten bis zu den Deutschnatio¬
nalen18 haben folgende Entschließung gefaßt:
Die politischen Parteien des Saargebietes wenden sich in dieser schwersten Stunde
ihres deutschen Vaterlandes aus größter Besorgnis um die Einheit des Reiches und
den Bestand seiner Grenzmarken an das gesamte deutsche Volk mit der dringenden
Aufforderung, die Reichsregierung und ihre Bestrebungen zur Aufrechterhaltung
von Ruhe und Ordnung schon um der außenpolitischen Sicherung willen mannhaft
zu stützen. Faszistische und kommunistische Umsturzversuche übernähmen vor der
leidensreichen Geschichte unseres Volkes die nie wieder gutzumachende Verant¬
wortung für die außenpolitisch bedrohlichste Gefährdung aller deutschen Grenz¬
gebiete.
Deutsch-Demokratische Partei, Deutschnationale Volkspartei, Liberale Volkspartei,
Sozialdemokratische Partei, Zentrumspartei.“ 19
In den Artikeln zum Verfassungstag des Jahres 1927 trat ein gewisser Un¬
terschied der Parteien in ihrer Bindung an die Republik zutage. Die Sozial¬
demokraten bekannten sich begeistert zur Republik als der Staatsform, die
eine internationale Verständigung fördere und dadurch auch der Saar und
ihren nationalen Belangen diene20. Das Organ der Zentrumspartei betonte
vor allem die Bedeutung der Festigung der Republik als Grundlage der
gesetzlichen Ordnung21. Die „Saarbrücker Zeitung“ nahm Rücksicht auf die
wohl noch mangelnde Verwurzelung der Republik in Kreisen der Wähler¬
schaft der Deutsch-Saarländischen Volkspartei22, führte aber aus, daß in
Deutschland nichts gesicherter sei als die Republik, daß ein Streit um die
Staatsform überflüssig sei, da eine monarchistische Gefahr nicht bestehe,
wohl aber eine faschistische, der durch eine gute republikanische Verfassung
begegnet werden müsse23. Wenn auch der Zentrumspartei und noch ausge¬
sprochener der Deutsch-Saarländischen Volkspartei das Pathos der Sozia¬
listen im Bekenntnis zu Republik und Völkerversöhnung fehlte, so lag doch
in der Bejahung von Weimar und Genf das selbstverständliche Fundament
ihrer Politik.
Die sozial und kulturell konservative Struktur der saarländischen Bevölke¬
rung und die positiven Elemente, die im Saarstatut in der Bindung an den
Völkerbund lagen, hatten dazu geführt, daß der oft leidenschaftliche natio¬
nale Kampf der politischen Parteien letztlich auf einer realistischen und ver-
nünftigten europäischen Friedenspolitik basierte. Als sich in Deutschland
der Nationalsozialismus durchsetzte, entzog dieser Vorgang der Politik der
saarländischen Parteien wesentliche Fundamente und mußte zu einer Krise
des gemeinsam gewonnenen politischen Bewußtseins führen.
18 Besonders bemerkenswert ist, daß auch die Deutschnationalen an der Saar sich an
dieser Entschließung beteiligten, während ihre Mutterpartei noch eine Versackungs¬
politik verlangte und die Rechtskonspirationen in Bayern fortschritten.
19 S.Z. Nr. 245 v. 29. 9. 1923 „Das Saargebiet an die Brüder im Reich“.
20 Volksstimme Nr. 185 v. 11. 8. 1927.
21 S.L.Z. Nr..215 v. 11. 8. 1927.
22 Darauf wiesen die Sozialdemokraten wiederholt hin: Z. B. Landesrat d. Saargeb.,
Sten. Ber. v. 30. 6. 1925, S. 20; Volksstimme Nr. 186 v. 12. 8. 1927 „Der Verfassungs¬
tag in Saarbrücken“.
23 S.Z. Nr. 217 v. 11. 8. 1927.
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