trag zur Gestaltung sozial besserer Verhältnisse. Die rein utopischen oder
agitatorischen Anträge49 konnten bei der Zustimmung der Kommunisten zu
manchen Gesetzen um so leichter den Eindruck einer zwar radikalen, aber
doch sinnvollen Wahrnehmung der Arbeiterinteressen erwecken. Außerdem
brachte die „Arbeiter-Zeitung“ immer wieder kleine konkrete Angelegen¬
heiten aus dem Saargebiet zur Sprache50, durch die sie als unbefangene und
unerschrockene Verteidigerin der Arbeiterinteressen erschien. Man berichtete
über zu große Dienstwohnungen von Lehrern und Bürgermeistern, erzählte
ausführlich, wenn eine Arbeiterfamilie von einem Knappschaftsarzt schlecht
behandelt worden war, bürgerliche Hausbesitzer und Geistliche zuviel
Wohnraum beanspruchten und ähnliche Dinge. Grubenunglücke schufen
immer eine Atmosphäre der Erregung unter der Bergarbeiterschaft, und so
wurde von den Kommunisten im saarländischen Landesrat das Unglück in
Merlenbach im lothringischen Grenzgebiet als kapitalistisches Verbrechen
bezeichnet und die Schuld der Grubenverwaltung zugeschoben51. Dadurch
wurde der saarländische Kommunismus ständiges Sprachrohr der Erbitterten
und Unzufriedenen und versuchte, die besitzenden Schichten moralisch blo߬
zustellen.
Diese geschickte Arbeit der Kommunisten an der Saar war vor allem deshalb
möglich, weil die Parteiführer aus der saarländischen Arbeiterschaft kamen.
Sie kannten jede Mißstimmung und Unzufriedenheit und verliehen ihnen
Ausdruck. Die Kandidatenliste der Kommunisten von 1922 enthielt z. B.
10 Bergleute, 3 Hüttenarbeiter, 2 Glasmacher, 2 Hausfrauen, dann einige
Facharbeiter und kleine Handwerker und nur einen Gewerkschaftssekre¬
tär52. Es war eine ausgesprochene Arbeiterliste. Neben den sozialen Bedin¬
gungen in den großen Industrieorten ging das starke Anwachsen des Kom¬
munismus auch auf den Einfluß einzelner dieser Arbeitervertreter zurück.
Eine große Rolle spielte z. B. in der Kommunistischen Partei der Bergmann
und Gewerkschaftssekretär des lothringischen Bergarbeiterverbandes, Phi¬
lipp Reinhard aus Ludweiler, der von 1922 bis 1932 Mitglied des Landes¬
49 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 14. 2. 1925, S. 24 f.: Anläßlich der Aufwertungs¬
vorlage der Reg.-Kom. verlangte die KPD Saar: „Wir stellen daher den Antrag, daß
allen Arbeitern, Angestellten und Beamten der Lohn aufgewertet wird, den sie zu
wenig erhielten, dafS den Kleinrentnern die Aufwertung ihrer Spargroschen zuge¬
sprochen wird, daß allen Angestellten, Arbeitern und Beamten einschließlich der
Kleinbauern, der Verlust aufgewertet wird ... Die Mittel müssen aufgebracht werden,
indem der Industrie die Inflationsgewinne genommen werden...“. Sten. Ber. v.
16. 3. 1925, S. 20: Nachdem die Kommunisten die Errichtung einer Arbeiterkammer
statt einer Arbeitskammer gefordert hatten, verlangten sie in einem Verordnungs¬
entwurf für eine Arbeiterkammer folgende Rechte für diese: Festsetzung der Maxi¬
malarbeitszeit, Festsetzung der Minimallöhne der Arbeiter, Angestellten und Beam¬
ten, Überwachung der Produktion, Einweisung von Arbeitslosen in Arbeitsstätten u.
Ähnliches mehr. In der Sitzung v. 4. 12. 1929 (Sten. Ber. S. 342) erhoben sie die
Forderungen der Verkürzung der Arbeitszeit auf 7 bzw. 6 Stunden, der Beseitigung
der Lohn- u. Gehaltssteuer usw.
50 Z, B.: A.Z. Nr. 62 v. 17. 3. 1928 „Das Wohnungselend im Saargebiet und die Wahlen
zum Landesrat“; A.Z. Nr. 58 v. 13. 3. 1922 „Christliche Nächstenliebe eines Studien¬
direktors“; A.Z. Nr. 15 v. 18. 1. 1922 „Wie sieht es heute auf sozialem Gebiet auf
der Völklinger Hütte noch aus?“; Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 5. 2. 1925, S. 23.
51 Landesrat d. Saargeb., Sten. Ber. v. 31. 3. 1925, S. 6.
52 A.Z. Nr. 126 v. 21. 6. 1922.
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